Publikation Bildungspolitik «Fünf Jahre nach dem Schulkonsens» – Studie der Rosa-Luxemburg Stiftung NRW

von Marc Mulia und Peter Proff

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Online-Publ.

Erschienen

August 2016

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Gesamtschulen boomen, Sekundarschulen sind ein Flop

Der Trend in der Entwicklung der Schullandschaft als auch in der Nachfrage der Eltern und Schüler geht eindeutig zu Gymnasien und Gesamtschulen. Das stellen die Autoren der Studie „Fünf Jahre nach dem Schulkonsens“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW fest. Nach dem „Schulkonsens“ von SPD, Grünen und CDU im Land NRW im Jahr 2011 ist die Zahl der Gesamtschulen noch einmal um 89, also fast ein Drittel, gestiegen. Die neu eingeführten Sekundarschulen erweisen sich dagegen als Flop: Nach einer ersten Gründungswelle gibt es in diesem Jahr nur noch fünf Neugründungen. Einige sind mangels Nachfrage nicht zustande gekommen, andere diskutieren ihre Umwandlung in eine Gesamtschule.
Kein anderes Bundesland hat so viele Schulformen wie NRW: Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen, Verbundschulen, Sekundarschulen und die klassischen Haupt-, Realschule und Gymnasien – das glatte Gegenteil nicht nur von sinnvollem Mitteleinsatz, sondern auch von dem Ziel einer Schule für alle.
Die beiden Autoren der Studie, Marc Mulia, Mitarbeiter am Bochumer Institut für Schulforschung,  und Peter Proff, untersuchten neben der Gesamtentwicklung in NRW besonders die Stadt Krefeld und den Landkreis Viersen.  In Krefeld verzichtete man von vornherein auf die Gründung von Sekundarschulen und schließt sämtliche Hauptschulen, sodass dort schon heute rund 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine Schule besuchen, die zur Hochschulreife führt, also eine Gesamtschule oder ein Gymnasium, der Rest besucht Realschulen. Im Landkreis Viersen wurden zwar einige Sekundarschulen gegründet, die kämpfen aber mit Problemen, etwa in Tönisforst. Dort streben alle Beteiligten die Umwandlung in eine Gesamtschule an.  Das sei typisch für etliche Sekundarschulen, meinen die Autoren der Studie: Die einen wollen zur Gesamtschule werden, weil sie genug Schüler für eine Oberstufe haben, die anderen, weil sie zu wenig Anmeldungen bekommen und sich davon eine Aufwertung im Ansehen versprechen, wenn sie auch den Weg zum Abitur anbieten können.
Mittelfristig werde die Entwicklung landesweit so sein wie in Krefeld: Ein System mit zwei Schultypen, die zum Abitur führen, Gesamtschule und Gymnasium, und einem Rest auf Realschulen. Sekundarschulen werden über kurz oder lang das Schicksal der Hauptschulen erleiden, also nur für einen Rest von vier bis fünf Prozent bleiben, die Hauptschulen werden ganz verschwinden.
Das Gymnasium kann nach wie vor von seinem Image als „Eliteschule“ profitieren, obwohl sie das längst nicht mehr ist, mit fast 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler  eines Altersjahrgangs. Gymnasien und Gesamtschulen gleichen sich in ihrer Schülerschaft immer mehr an. Wolle man eine wirkliche Chancengleichheit der Schulformen erreichen, so muss man den Gymnasien verbieten, SchülerInnen an Gesamtschulen „abzuschulen“. Das Land und die Kommunen müssen gewährleisten, dass jedes Kind, dessen Eltern das wünschen, auch einen Platz an einer Gesamtschule bekommen kann – das gilt bisher nur für die Gymnasien.