Schnelle Musik linker Bands, in unruhigen Schnitten Bilder von Antifa-Demos der zurückliegenden Jahrzehnte, wehende rote und rot-schwarze Fahnen, VVN-Emblem und das Antifa-Logo von 1932 in seinen historischen Varianten, teils noch vermummte Demonstrierende, fröhlich, punkig, kämpferisch, wild und bunt. Und die fünf Protagonist*innen: Kessy (Berlin), Nina (Rendsburg/Hamburg), Laura (Ostberlin/Brandenburg), Navid (Göttingen) und Thorsten (Quedlinburg), ältere Antifa-Aktivist*innen und ein vom Pogrom in Hoyerswerda Betroffener: nette, stabile Leute in akzeptabler Gender- und Race-Balance, mit denen man gern befreundet wäre, wenn man es nicht zufällig ohnehin ist. Dieser Zufall war in dem mit 1800 Gästen ausverkauften Freiluftkino Friedrichshain in dieser lauen Premierennacht nicht sehr unwahrscheinlich. Es waren alle da.
Die Filmerzählung beginnt in den 1990er Jahren, nachdem sich die BRD die DDR einverleibt hatte. Bilder von rassistischen Pogromen, die zum Triggerpotential einer Nach-Wende-Antifa gehören, Rostock-Lichtenhagen, Hoywoy usw. Soweit nichts Neues. Die «Zeitzeug*innen» schildern die explosionsartig um sich greifende Pogromstimmung und die Überrumpelung, die das gerade für Antifas im ganzen Land bedeutete. Punks, Antifas, Linke, «alternative Jugendliche» und andere, die der Nazigewalt ausgesetzt waren oder gegen sie aktiv wurden, fanden sich schnell mit dem Rücken zu Wand gegen das aggressive Pack aus Nazis und rassistischem Mob. Untertitel des Films: «Schulter an Schulter, wo der Staat versagte» formuliert eine Erwartung an «den Staat», sie und andere Verletzliche zu schützen und gegen die «Nazipest» vorzugehen.
Davon ist der Staat weit entfernt damals, er lässt vieles geschehen, begünstigt rassistische Aufstände durch Abwesenheit, Zurückweichen oder nicht ernst zu nehmende «Maßnahmen». Viele zu BRD-Landespolizist*innen umetikettierte einstige DDR-Volkspolizist*innen duckten sich gerne weg, waren den Nazis vor Ort allzu nah oder nahmen Reißaus, wenn mehr als eine Handvoll hasssprühender Nazis auftauchten. Oft sahen sie der Gewalt und den Pogromen tatenlos zu. Nicht selten stellten sie stattdessen den Antifas nach oder gängelten die von Rassismus betroffenen Geflüchteten, Vertragsarbeiter*innen und andere, die nicht in die Ideologie der Glatzen passten.
In dieser Zeit entstand eine neue antifaschistische Bewegung in Deutschland, notgedrungen und – zumal was die Ost-West-Annäherung betrifft und vor allem auch das (Groß-)Stadt-Land-Gefälle – stockend. Schnell mussten sich die Aktivist*innen Formen militanten Selbstschutzes und handfester Gegenwehr aneignen. Ständig war man mit Nazis konfrontiert, ständig drohten Angriffe auf gefährdete Projekte und Gefüchteten-Unterkünfte – und ein klatschender, johlender deutschnationaler Mob sammelte sich schnell um die Orte der Pogrome. Die Antifas im Film erzählen packend von diesen heute «Baseballschlägerjahre» genannten unseligen Zeiten. Viele Menschen starben durch diese entfesselte Gewalt, Tausende wurden verletzt und traumatisiert durch die Brutalität der Täter*innen und die Lauheit von Polizei, Justiz und Politik im Umgang damit.
Einige von ihnen haben Freund*innen verloren, Navid aus Göttingen etwa erinnert an seine damalige Gefährtin Conny Wessmann, die bei einem Polizeieinsatz von einem Auto überrollt wurde, Kessy an Marinus Schöberl, der 2002 in Potzlow von Nazis zu Tode gequält und dann in einer Jauchegrube versenkt wurde und dessen Tod sie damals völlig fertiggemacht habe. Laura mit einem jüdischen Familienhintergrund und Nina stellen klar, dass Selbstverteidigungskurse und zunehmend auch Bewaffnung zum Alltag – auch in Berlin – gehörten. Ohne Teleskopschlagstock oder ähnlichem aus dem Haus zu gehen, war keine Option. Es gab noch keine Handys, man alarmierte sich über Telefonketten.
Thorsten aus Quedlinburg ist eine robuste Erscheinung und beschreibt, wie sich «legitime» Formen von militanter Gegenwehr entwickelten. Ab und zu mussten beherzte Antifas den Nazis heimleuchten, um ihnen die Grenzen aufzuzeigen, die ihnen sonst niemand setzte. In den Stolz, sich dem braunen Mob entgegengestellt und ihn bisweilen deutlich in seine Schranken gewiesen zu haben, mischen sich die Skrupel, die die Aktiven damals umtrieben. Welche und wieviel legitime Gewalt erlaubten Selbstschutz und Nothilfe für andere verletzlichere Gruppen. Diese Diskussionen nehmen einen guten Teil des Films ein und transportieren das Postulat, dass Antifa niemals bedeuten darf, eine grundsätzliche humane Orientierung zu verlieren und dem menschenverachtenden Denken der Rassist*innen ein ebensolches entgegenzusetzen.
Der Film beschwört diese «krasse» Zeit, die beiden Filmemacher von Leftvision, Marco Heinig und Steffen Maurer, wissen Musik, Bilder und Schnittfolgen wirksam um die Interviews zu arrangieren, um die gewünschten Emotionen zu wecken: Wut, Stolz und Mut. Auch Aufbruchsstimmung. Antifa ist cool, entspannt und auch witzig. Wir haben die 1990er und nuller Jahre hinter uns gebracht und uns entwickelt. Trotz aller Niederlagen und Verluste auch eine Erfolgsgeschichte.
Und es stimmt, was vor allem Kessy, langjährige Mitstreiterin im Berliner apabiz[1], immer wieder hervorhebt: Antifaschistische Aktion ist heute viel mehr als einfach nur Antifa. Es sind journalistische Publikationen und Archive entstanden und/oder ausgebaut worden, quasi-wissenschaftliche Rechercheexpertise und Forschung, dezidiert antifaschistische Bildungsarbeit, vielfältige Formen von Gedenken an die Opfer von Shoah und Massenvernichtung der Nazi-Zeit, aber auch an die vielen zeitgenössischen Opfer des Faschismus im «wiedervereinigten» Deutschland. Die organisierte Beobachtung des NSU-Prozesses (durch NSU-Watch) hat über die Grenzen Deutschlands hinaus ein neues Betätigungsfeld antifaschistischer Aktivität abgesteckt und mit der zunehmenden Zahl an Prozessen zu rechtem Terror diese effektive Form der Intervention professionalisiert. Auch die notorische Männerdominanz und den häufigen Militanzfetisch thematisiert der Film am Rande, ebenso wie das weitgehende Fehlen von migrantischen Stimmen und Akteur*innen in den Reihen der Antifa.
Leider gelingt es dem Film nicht oder nur teilweise, die Brücke in die dramatische Jetztzeit zu schlagen, die «in Teilen» faschistische AfD wirkt wie ein bisschen dazugepackt im filmischen Narrativ. Das Fehlen bundesweiter Formierung und Mobilisierung antifaschistischer Kräfte in einer Situation, wo rechte Gewalt wieder durch die Decke geht und ein völkisch-nationalistischer Mob wieder in den Startlöchern sitzt und mit den Hufen scharrt, dass die AfD endlich Teile der Macht an sich reißt, ist nicht wirklich Thema des Films.
Auch die diffuse und wohlfeile Berufung auf die historische Antifa, auf Ernst Thälmann und eine emblematisch bebilderte europäische Partisan*innenbewegung gegen Nazi-Deutschland, soll das feine Gefühl vermitteln, in guter Tradition und auf der Seite der Guten zu stehen. Ob das bei aller widersprüchlichen Geschichte ausreicht, den augenblicklichen desaströsen Entwicklungen entgegenzutreten und standzuhalten, darf bezweifelt werden. Da werden wir wohl noch mehr Filme brauchen, für die uns aber die Zeit wegläuft.