Die globale Ernährungskrise ist Teil einer umfassenderen Polykrise, in der sich die Folgen des Klimawandels und der Covid-19-Pandemie, von Wirtschafts- und Schuldenkrisen sowie von Kriegen und Konflikten gegenseitig verstärken. Dies drückte sich zwischen 2020 und 2023 in einer weltweiten Nahrungsmittelpreiskrise aus, die die von Profitsteigerungen getriebene Inflation beförderte. Absicherungs- und Spekulationsgeschäfte ließen bereits hohe Preise für Nahrungsmittel weiter ansteigen. Höhere Preise bedeuten, dass Menschen einen unverhältnismäßig hohen Anteil ihres Realeinkommens für Nahrungsmittel aufwenden müssen. Mit jedem Prozentpunkt, um den die Lebensmittelpreise steigen, werden zehn Millionen Menschen in extreme Armut getrieben. Nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in Deutschland leiden Haushalte mit geringen Einkommen besonders unter der hohen Inflation.
Der Aufbau von nationalen, regionalen und globalen öffentlichen Nahrungsmittelspeichern kann zur Preisstabilisierung auf den globalen Agrarmärkten und zur Begrenzung der Inflation beitragen, analysiert die renommierte Ökonomin Isabella Weber zusammen mit Merle Schulken in der Studie «Towards a Post-neoliberal Stabilization Paradigm for an Age of Overlapping Emergencies: Revisiting International Buffer Stocks Based on the Case of Food», die von der Heinrich-Böll-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und TMG Research in Auftrag gegeben wurde. Der Aufbau öffentlicher Nahrungsmittelspeicher kann auch sozialer Ungleichheit entgegenwirken. Zudem stellen Nahrungsmittelspeicher die Verfügbarkeit von Grundnahrungsmitteln sicher und die Gefahr einer Verknappung wird vermindert. Speicher zum Zweck der Ernährungssicherung können kurzfristige Preis- und Mengenschwankungen sowohl für Erzeuger*innen als auch Verbraucher*innen abdämpfen und Preisspitzen begrenzen.
In diesem, auf der Studie basierenden, Policy Paper schlussfolgern die Autor*innen, dass öffentliche Nahrungsmittelspeicher die Transformation von Ernährungssystemen unterstützen können, wenn staatliche Anreize dafür geschaffen werden. So kann die öffentliche Beschaffung von Agrarrohstoffen an einen diversifizierten, agrarökologischen Anbau gekoppelt werden. Der Aufkauf der Güter kann zum Beispiel an die Reduktion des Einsatzes von chemischen Pestiziden und synthetischem Dünger – oder die Verwendung von lokal angepasstem, samenfestem Saatgut geknüpft sein. Mit dem Kauf einer breiten Palette von lagerungsfähigen Agrarrohstoffen wäre es möglich, gesicherte Einkommen für regionale Erzeuger*innen zu schaffen, Anbau zu diversifizieren und Importe von Grundnahrungsmitteln sowie damit die Abhängigkeit von volatilen Märkten zu verringern.
Die Ernährungs- und Landwirtschafsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) könnte die globale Koordinierung eines Systems von öffentlichen Nahrungsmittelspeichern übernehmen. Vorräte für wichtige Grundnahrungsmittel wie Mais, Reis, Weizen und pflanzliche Öle könnten an strategisch sinnvollen geografischen Orten angelegt werden. In Zeiten von starken Preissteigerungen könnten über die Freigaben von Lagerbeständen entschieden und damit Preise stabilisiert werden.
Das Policy Paper «Krisenpuffer gegen die Inflation» ist eine gemeinsame Publikation von Isabella Weber, Merle Schulken (beide University of Massachusetts Amherst), Lena Bassermann (TMG), Lena Luig (Heinrich-Böll-Stiftung) und Jan Urhahn (Rosa-Luxemburg-Stiftung).
Ein Großteil der Analysen und politischen Empfehlungen in dem Policy Paper basieren auf der Studie «Towards a Post-neoliberal Stabilization Paradigm for an Age of Overlapping Emergencies: Revisiting International Buffer Stocks Based on the Case of Food» von Isabella Weber und Merle Schulken, erstellt im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und TMG.