Dokumentation "Konkurrenz zwischen den Arbeitenden überwinden"

Griechenland-Solidaritätsabend mit Rolf Becker und Vasilis Pegidis

Information

Zeit

10.12.2018

Mit

Rolf Becker und Vasilis Pegidis

Themenbereiche

Geschichte, Deutsche / Europäische Geschichte

Trotz der nach wie vor sozial desaströsen Lage in Griechenland geriet der zweite Solidaritätsabend, eine Mischung aus Rezitation und Musik, zum ebenso informativen wie unterhaltsamen Event. Dass der Vortrag des Schauspielers und Gewerkschafters Rolf Becker, Dauergast beim Jahresausklang des Linken Forums, ein glühender Appell zur Errichtung eines Europas der Solidarität war, versteht sich von selbst. Dazu sang der aus Thrakien in Nordgriechenland stammende Musiker Vasilis Pegidis Lieder von Mikis Theodorakis, Georgos Moustaki und Nana Mouskouri und berichtete aus seiner Heimat.

Als „verheerend“  bezeichnete Becker die Situation im Land an der Ägäis. Das „Nein“ der Bevölkerung zum EU-Spardiktat sei durch Ministerpräsident Alexis Tsipras kurzerhand umgedeutet worden: Das Land müsse weiterhin einen erdrückenden „Schuldendienst“ leisten. Großen Teilen der Bevölkerung gehe es weiterhin sehr schlecht. Die so genannten „Rettungsgelder“ kämen nicht den Menschen vor Ort zugute, sondern ausländischen Banken und privaten Geldgebern.

Als fatal bezeichnete Becker zudem die auch hierzulande zu beobachtende Konkurrenz unter den Arbeitenden um die besser entlohnten Jobs. Schon Karl Marx habe beklagt: Ohne diese Konkurrenz „könnten die Herrschenden nicht herrschen.“ Sie  gelte es zu überwinden, „wenn wir aus der gegenwärtigen Entwicklung in unseren Ländern einen Ausweg finden wollen.“  Becker zeigte sich davon überzeugt, dass, wenn es nicht gelänge, die Spaltungen und Konkurrenzbeziehungen zwischen den abhängig Beschäftigten in Griechenland und andernorts zu überwinden, sich eine europaweite soziale Katastrophe anbahne. Noch sei es nicht zu spät.

Seit 2012 fährt ver.di-Mitglied Rolf Becker jedes Jahr mit einer Gruppe von Gewerkschaftern nach Griechenland. Becker: "Wir haben beschlossen, als Zeichen der Solidarität nach Griechenland zu fahren. Wir wollen uns selbst ein Bild machen von den sozialen Zuständen." Kontakte sollen vertieft und neue aufgebaut werden mit denjenigen, die sich gegen die Spardiktate zur Wehr setzen.

In seinem Rückblick auf die Geschichte Griechenlands verwies Becker u. a. auf die bis heute ausstehenden Reparationszahlungen Deutschlands für die „Kahlfraß“-Politik unter nationalsozialistischer Besatzung. Der Historiker Karl Heinz Roth habe, so Becker, als Minimalbetrag eine Summe von 90 Milliarden Euro errechnet, womit das Land weitgehend entschuldet wäre. Das Londoner Schuldenabkommen von 1953 hatte Deutschland bis zu einer Wiedervereinigung und bis zu einem Friedensabkommen von allen Reparationen freigesprochen. Becker: „Seit dem Fall der Mauer 1989 und dem Abschluss der Zwei-plus-Vier-Verträge zwischen West- und Ostdeutschland und den alliierten Siegermächten des zweiten Weltkrieges kann die Bundesrepublik sich darauf nicht mehr berufen.“ Somit entbehre die deutsche Position  jeder völkerrechtlichen Grundlage.

An eine Zahlung der Schulden, die hierzulande in der politischen Klasse offenbar mit einem Tabu belegt sei, werde weiterhin nicht gedacht

Carsten Schmitt