Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 gehört zu den Meilensteinen einer umfassenden Demokratieentwicklung. Nationalsozialismus und Faschismus, die Schoah, Zweiter Weltkrieg und Kriegsverbrechen bilden einen zentralen Hintergrund für die Erklärung der UNO. Der Sozialpakt der UNO von 1966 weitete die Menschenrechtserklärung aus. In diesem Mehrklang von freiheitlich-demokratischen und sozialen Menschenrechten verortet sich die Rosa- Luxemburg-Stiftung (RLS).
Die RLS, die sich als demokratisch-sozialistische Einrichtung versteht, ist sich der vielfältigen Spannungsverhältnisse zwischen unterschiedlichen Emanzipationsbestrebungen und damit verschiedenen Menschenrechtsfacetten in Vergangenheit und Gegenwart bewusst. In einem Teil der aus der Arbeiterbewegung hervorgegangenen sozialistischen, sozialdemokratischen und kommunistischen Strömungen gab es einseitige Betonungen der sozialen vor den politisch-freiheitlichen Menschenrechten, die in ihrer schlimmsten Form in stalinistische Diktaturen mündeten. Umgekehrt haben liberal-bürgerliche politische Richtungen oft soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Kauf genommen oder auch offensiv gebilligt. Auf sozialer Ungleichheit und Ungerechtigkeit können politische Freiheiten, mithin Menschenrechte, aber nicht umfassend entfaltet werden. Dabei beziehen wir uns auf unsere Namensgeberin Rosa Luxemburg, indem wir soziale Gerechtigkeit und Demokratie als unteilbares Ziel verstehen, als Verbindung politischer und sozialer Menschenrechte. Der 100. Jahrestag der Novemberrevolution in Deutschland, dem wir uns mit vielen Veranstaltungen und Publikationen, so etwa «Emanzipation und Enttäuschung», widmen, steht für uns exemplarisch dafür. Emanzipation, das meint: Sturz der autoritären Monarchie und Errichtung einer Republik, Einführung des Frauenwahlrechtes, Beendigung des Krieges, Festschreibung vieler Grundrechte, Einführung des Achtstundentages und des Betriebsrätegesetzes. Enttäuschung, weil umfassendere soziale Rechte und eine Wirtschaftsdemokratie nicht durchgesetzt wurden und Rosa Luxemburg und viele andere Menschen einem antidemokratischen Terror zum Opfer fielen. Gleichzeitig befasst sich die RLS auch mit «50 Jahre 1968» als einer globalen Bewegung, die viel zur Ausweitung von Menschenrechten im Sinne von Geschlechtergerechtigkeit und dem Kampf gegen Rassismus und in der Folge auch für die Rechte der LGBTIQ-Communities beigetragen hat.
Heute zeigen sich nationale wie europäische und globale Menschenrechtsherausforderungen etwa im Umgang mit Fragen von Flucht, Migration und Asyl. Dazu arbeitet die RLS in Deutschland und der EU, etwa in Griechenland, aber auch in Mexiko, wo es um die Unterstützung mutiger zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure geht, die sich um das Schicksal von Menschen kümmern, die in die USA migrieren wollen und vielfach Opfer von Paramilitärs, organisierter schwerer Kriminalität, aber auch staatlicher Gewalt sind. Der Band «Der Kreis. Aufzeichnungen einer Migration» dokumentiert dies eindrücklich. Das Ist für uns ebenso Menschenrechtsarbeit wie die langjährige Zusammenarbeit mit der Kampagne gegen Homophobie und mit Frauenorganisationen in Polen. Indem die RLS dort gleichzeitig auch über viele Jahre gut mit der größten Bergarbeitergewerkschaft kooperiert hat, für die soziale und wirtschaftliche Rechte im Vordergrund stehen, zeigt dieses Beispiel unseren Anspruch nach einer verbindenden Perspektive unterschiedlicher, aber nicht gegeneinander auszuspielender Menschenrechte.
Florian Weis ist Historiker und seit 2008 als Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung tätig. Der Text erschien in Politik & Kultur, Nr. 6/18.