Zu Beginn stand die Würdigung der zentralen Gründungsfigur des Sozialistischen Büros, kurz «SB»: Am 18. Mai dieses Jahres verstarb Klaus Vack, der neben Hanne Vack zur Gründungsgeneration gehörte und die «Nicht-Organisation» SB, wie sie genannt wurde, maßgeblich prägte. Vack blieb es vorenthalten, sich wie die gut sechzig Besucherinnen und Besucher, nahezu allesamt mit biografischen Bezügen zum SB, am 13. Juni 2019 mit dessen Wirkungsgeschichte auseinanderzusetzen und – nicht zu vergessen – bei einem gemeinsamen Abendessen das Jubiläum auch zu feiern.
Gottfried Oy ist Mitglied des Gesprächskreises Geschichte der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
«Um in Erinnern und Rekonstruieren der Frage nach Wirkungsgeschichte, der Aktualität und dem Unabgegoltenen in den Zielen des Sozialistischen Büros nachzugehen», dazu lud das SB ein, maßgeblich unter Beteiligung der aktuellen publizistischen Projekte, die auf das SB zurückgehen: Der Zeitschrift «Widersprüche», dem «express» und der Online-Plattform «links-netz». Vier thematische Blöcke boten inhaltliche Anregungen, um in die Diskussion einzusteigen – eine Einführung durch Edgar Weick und Kirsten Huckenbeck, «Sozialismus und Demokratie?» mit Rudolf Walther, Jens Huhn und Roland Roth, «Arbeitsfelder Betrieb und Gewerkschaft» mit Otto Jacobi, Sonja Tesch und Anton Kobel sowie die «Arbeitsfelder Sozial- und Bildungspolitik, Sozialstaat und Soziale Arbeit» mit Timm Kunstreich und Michael May. Kalle Kunkel, der über Arbeitskämpfe in der Charité-Klinik in Berlin sprechen sollte und Vertreter*innen des Arbeitskreises Kritische Soziale Arbeit sagten im Vorfeld ab. Auch Günter Pabst, der langjährige Geschäftsführer des Verlags 2000, des Verlags des SB, konnte nicht anwesend sein und schickte ein Grußwort.
«Unvollendetes Projekt» (Oskar Negt), Organisation der «Un-Entschlossenen» (Micha Brumlik), Vereinigung der «Reformisten aller Schattierungen» (Zeitschrift Konkret), «diffuse Sammelbewegung» (Margarethe Kuckuck) – recht blumig werden die Formulierungen, wenn die Rede auf die Stellung des SB in der Zeit nach der antiautoritären Revolte von 1968 in der alten Bundesrepublik kommt. Jenseits autobiografischer Erinnerungen, etwa von Klaus Vack, Andreas Buro, Oskar Negt oder Micha Brumlik liegt bis heute keine systematische Organisationsgeschichte des SB vor.
Dem soll ein Geschichtsprojekt Abhilfe schaffen, das die express-Redakteurin Kirsten Huckenbeck vorstellte. Die Veranstaltung selbst, verstanden als eine Art Ideenlabor, stehe, so Huckenbeck, am Anfang einer groß angelegten Aufarbeitung, die in ein wissenschaftliches Projekt münden soll. Selbstorganisierte Elemente, wie Zeitzeug*innen-Partner*inneninterviews nach einem gemeinsamen Leitfaden, ein Online-Archiv auf der Webseite der Zeitschrift express sowie dem Aufruf, privates Archivmaterial zu sichten und dem SB zur Verfügung zu stellen werden ergänzt durch eine professionelle historische Aufarbeitung. Dafür gewonnen werden konnte, so Huckenbeck weiter, ein ausgewiesener Kenner des Linkssozialismus in der Bundesrepublik. Institutionell begleitet werden soll das Projekt von verschiedenen zeithistorischen Instituten.
Weniger um die Organisationsgeschichte und mehr um die Wirkungsgeschichte des SB ging es in den einzelnen Diskussionsrunden und Vorträgen an diesem Tag. Auch die Nachwirkung spielte eine große Rolle. Inwieweit kann von einem Erfolg gesprochen werden – im Sinne eines Weiterwirkens in der Gesellschaft – oder doch eher von einem Niedergang dieser Organisation in den 1980er Jahren? Eine Frage, der sicherlich auch in dem angestrebten Forschungsprojekt nachzugehen sein wird.
Gottfried Oy
Gottfried Oy ist Mitglied des Gesprächskreises Geschichte der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er hat 2007 mit «Spurensuche Neue Linke. Das Beispiel des Sozialistischen Büros» eine erste Studie zum SB vorgelegt, die sich vor allem auf seine Zeitschrift konzentriert.
Online-Archiv zum SB (im Aufbau) auf der Webseite der Zeitschrift «express»: http://express-afp.info/sozialistisches-buero-sb