In dieser großformatigen Broschüre werden acht beeindruckende Biografien von FrauenLesben aus Ost und West vor allem anhand ihrer Erlebnisse rund um «1989» vorgestellt. Politische Aktivistinnen aus Schwarzen, People of Color- und/oder queer* feministischen Bewegungen berichten mehr oder minder autobiografisch über ihre Kämpfe, Konflikte, Niederlagen; Lesben aus der DDR ebenso wie afrodeutsche Feministinnen oder Aktivistinnen der Bewegung der Sinti und Roma aus Westberlin. Einige sind in Deutschland geboren, andere bzw. deren Eltern in Korea, Vietnam oder der Türkei. Im einzelnen sind dies Anita Awosusi, Nuran Ayten, Sun-ju Choi, Samirah Kenawi, Angelika Nguyen, Katharina Oguntoye, Ina Röder Sissoko und Jeanette Sumalgy. Jeweils eine Person aus Ost und West werden in dem wunderschön gestalteten Buch parallel montiert. In der Mitte dokumentiert ein Kapitel visuell «Bewegungsmomente» von Aktionen und Demonstrationen dieses Zeitraumes. Gemeinsamkeiten in allen Texten sind das Aufwachsen und der Alltag in der deutschen Mehrheitsgesellschaft und die Konfrontation mit Rassismus, Exotisierung und Sexismus. Bei allen zeigt sich die Energie, die die Politisierung und das Zusammentreffen und -arbeiten mit «Gleichgesinnten» erzeugt. Lektüre, Theorie und persönliche Begegnung erweitern den Horizont und, obwohl es diesen Begriff damals vermutlich noch nicht wirklich gegeben hat, «empowern» in vielerlei Hinsicht.
Die acht Frauenlesben sind zwischen 1956 und 1969 geboren, waren also 1989 zwischen 20 und 33 Jahre jung. Die heute zwischen 51 und 64 Jahre alten waren für ihren politischen Ansatz und ihr Thema durchweg engagierte und mutige Pionierinnen, die mit ihren Kämpfen um Sichtbarkeit und Organisierung Bedingungen und Strukturen (etwa das bereits 1986 erstmals erschienene Buch «Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte») geschaffen haben, die bis heute nachwirken, und von denen heutige Aktivistinnen der antirassistischen und queer-feministischen Bewegungen profitieren. Sind diese FrauenLesben in den heutigen Bewegungen 30 Jahre später nicht auch bereits vergessen?
Die Publikation ist ein Beitrag zur Geschichte von unten, jedenfalls gegen die Marginalisierung dieser Positionen und Erfahrungen. Sie entstand parallel zu einer Ausstellung im FriedrichshainKreuzberg Museum in Berlin, und ohne größere Förderung. Ein hilfreiches Glossar rundet die ausgezeichnete Veröffentlichung ab, die für den 9. November letzten Jahres zu spät erschienen ist, der kommende 3. Oktober 2020 ist ja auch noch ein passender Jahrestag.
Peggy Piesche (Hg.), Nicola Lauré al-Samarai (Hauptautorin): Labor 89. Intersektionale Bewegungsgeschichte*n aus West und Ost; Verlag Yılmaz-Günay, ISBN 978-3-9817227-3-4 , Berlin 2020, 144 Seiten, 15 EUR
Hinweis: Das Online Magazin «Lernen aus der Geschichte» hat eine lesenswerte Rezensiondieser Publikation publiziert.