Fast jedes Gespräch», so schreibt Bénédicte Savoy im ersten Satz des Epilogs ihres sehr lesenswerten Buches, «das wir heute über Restitution von Kulturgütern nach Afrika führen, fand vor 40 Jahren schon einmal statt».
Savoy, deutsch-französische Professorin für Kunstgeschichte der Moderne gilt eine der Expert*innen wie engagierten Streiter*innen gleichermaßen, wenn es um koloniale Raubkunst geht. Sie gibt in ihrem auf umfangreichen Recherchen basierenden Buch einen Rückblick auf den Zeitraum von ungefähr 1965 bis 1985. 1960 erlangen 18 afrikanische Staaten ihre formale Unabhängigkeit, sie bringen das Thema der afrikanischen Kunst in europäischen Museen und das der Rückgabe dieser geraubten Objekte zuerst auf die Agenda einschlägiger Verbände und Institutionen, und dann auch, ab 1972/73 an die mediale Weltöffentlichkeit. Ohne Erfolg, so dass Savoy diese gesamte Etappe als «Geschichte einer postkolonialen Niederlage» versteht und auch beschreibt.
Ab den 1960ern wollen die neuen afrikanischen Staaten eine eigene kulturelle und historische Identität aufbauen, sie schreiben Kultur und damit auch Kunst eine positive Rolle beim postkolonialen nation building zu. Viele aus den Eliten dieser Generation hatten im globalen Norden studiert und waren dort überhaupt erstmals Zeugnissen ihrer eigenen Geschichte begegnet, denn im eigenen Land gab es diese kaum. Sie waren erstaunt, dass etwa im British Museum, aber auch in Museen in Berlin, Brüssel oder Paris etagenweise Objekte aus dem globalen Süden ausgestellt waren (dass die Magazine übervoll waren, konnten sie zu dem Zeitpunkt nur vermuten).
Die Deutungsmacht über die Kunst und das Kunsthandwerk des globalen Südens hatten bis dahin, und es wäre die Frage, ob das heute grundlegend anders ist, westliche Museen: sie hatten die Objekte, die Ressourcen für Forschungen, Ausstellungen und Publikationen. Das allermeiste, was dort in den Museumsmagazinen lagerte, war noch nie ausgestellt worden, und es war absehbar, dass das auch weiterhin nicht passieren würde. Zurückgeben wollen die Europäer aber trotzdem nichts. Sie werden nicht müde, immer wieder neue Ausflüchte voller Rassismus und Paternalismus zu finden und sich intern abzusprechen, welche wann verwendet werden sollten; alles mit dem Ziel die Ansprüche aus den Herkunftsregionen abzuwehren. Es wird argumentiert, taktiert und gelogen, also all die Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die gemeinhin von den alten weißen Männern den AfrikanerInnen zugeschrieben werden, die auch als unseriös und zu emotional beschrieben werden. In den deutschen Museen und Verwaltungen sind zu der Zeit in der Regel Beamte aktiv, die in den 1910er Jahren geboren worden waren, die ihre Karrieren im Nationalsozialismus begonnen hatten und über keine nennenswerte Auslandserfahrung verfügten.
Was waren nun die konkreten Strategien? So wurde z.B. behauptet Kunst sei universell, das British Museum etwa, das bereits 1753 gegründet worden war, sei Hüter dieses Menschheitserbes, und deswegen können afrikanische Kunst auch dort aufbewahrt werden. Es wurde durchweg ein legaler Erwerb der Objekte behauptet, bzw. diesbezüglich auch schlicht gelogen, meist wussten die Museen nicht einmal, was sie alles genau in ihren Magazinen hatte, behaupteten aber rundheraus für alle Objekte einen einwandfreien Erwerb nachweisen zu können. Sie weigerten sich auch Bestandsverzeichnisse anzufertigen oder zu veröffentlichen, denn anhand dieser hätte man ja sehen können, was sich dort alles befand, und dann Forderungen njach Rückgabe konkretisieren und besser stellen können. Nicht zuletzt sei, so die arrogante Behauptung, eine sachgemäße Unterbringung nur im globalen Norden möglich.
Die Lektüre des Buches zeigt eindrücklich, wie tief das Denken der europäischen Akteure von Kolonialismus und Rassismus geprägt war und ist, und dass es um Rückgabe und auch Entschädigung geht. Savoy hat ein sehr wichtiges Buch geschrieben.
Bénédicte Savoy: Afrikas Kampf um seine Kunst. Geschichte einer postkolonialen Niederlage; C.H. Beck Verlag München 2021, 256 Seiten, 24 EUR