Nachricht | Druck.Machen. Eine etwas andere Stadtgeschichte von Konstanz; Konstanz 2021

Eine Stadtgeschichte «von unten»

Information

1905 nehmen in Konstanz 12.000 Menschen an einem Treffen der Sozialistischen Bodensee-Internationaleteil. Die zum Herzogtum Baden gehörende Grenzstadt hat damals vermutlich um die 15.000 erwachsene EinwohnerInnen.
1870 bereits wird in Konstanz ein Ortsverband des Verbandes der deutschen Buchdruckergegründet. Dieses Jubiläum nimmt die in der Tradition der Geschichtswerkstättender 1980er Jahre stehende AutorInnengruppe rund um den Ortsverein Medien und Kunst von ver.di zum Anlass, die Geschichte von untender Seestadt an die Öffentlichkeit zu bringen.
1873 wird in Konstanz der erste sozialdemokratische Verein gegründet und auch die Novemberrevolution und der Widerstand gegen den Kapp-Putsch finden ihren Niederschlag auf
den Straßen und in den Gaststätten der Kleinstadt. An einer Demonstration aus Anlass der Ermordung von Walther Rathenau durch Rechtsradikale der «Organisation Consul» im
Juni 1922 nehmen mit 3.000 Personen ein Sechstel aller Erwachsenen teil. Über den antifaschistischen Widerstand – sechs KonstanzerInnen, die hingerichtet wurden, werden
namentlich genannt –, geht es weiter in die Nachkriegszeit. Ein Versuch von KommunistInnen und SozialdemokratInnen, sich in einer Gruppe »Neues Deutschland« (!!) zusammenzuschließen, wird im Februar 1947 von der französischen Besatzungsmacht unterbunden. 1949 sind von 42.000 EinwohnerInnen, obwohl Konstanz keine »ArbeiterInnenstadt« ist, circa 4.000 Erwachsene gewerkschaftlich organisiert. Verschiedene Arbeitskämpfe und die Gründung der Universität sind ebenfalls Themen. Eine institutionalisierte Kooperation von Gewerkschaften und der anfangs sehr progressiven Universität kommt allerdings nicht zustande.
In den verschiedenen Abschnitten werden immer wieder wichtige Personen beispielhaft hervorgehoben und dadurch näher beleuchtet. Zum Schluss des chronologisch aufgebauten Buches wird etwas mehr Gewicht auf die Arbeits- und Gewerkschaftsgeschichte im engeren Sinne gelegt, so wird zum Beispiel die Arbeit von Frauen in den Gewerkschaften oder der frappierende Wandel der Art und Weise, wie der 1. Mai gefeiert wird, näher vorgestellt.
Geschichte der Demokratie ist im Kern die Geschichte der Klassenkämpfe, so zitieren die AutorInnen zustimmend den bekannten Soziologen Stephan Lessenich. Sie wollen zeigen, wie die Menschen in der Stadt für Demokratie und bessere Arbeitsbedingungen kämpften, und dass auch heute das Engagement und der Zusammenschluss vieler nötig sind, um etwas Neues schaffen zu können. Das ist ihnen in diesem sehr gut geschriebenen und ambitioniert gestalteten Buch auf anschauliche Weise gelungen. Ein Lesebuch im besten Sinne des Wortes.

Die Website zum Buch: https://druck-machen.net

Ralph Braun, Patrick Brauns, Pit Wuhrer, Margrit Zepf: Druck.Machen. Eine etwas andere Stadtgeschichte von Konstanz, Querwege Verlag, Konstanz 2021, ISBN 978-3-941585-11-9, 184 Seiten, 19,80 Euro