Nachricht | Geschichte - Deutsche / Europäische Geschichte Thatchers Sieg und Aufstieg

Vor 40 Jahren beginnt der Falkland-Krieg

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Florian Weis,

Britische Marinesoldaten sammeln nach der Kapitulation der argentinischen Truppen in Port Stanley auf den Falkland-Inseln Waffen ein. Am 14. Juni 1982 haben britische Truppen die Falkland-Inseln zurück erobert, die im April 1982 von Argentinien militärisch besetzt worden waren. Foto: picture-alliance/ dpa | PA

Am 2. April 1982 griffen argentinische Landungskräfte die Falkland-Inseln an, seit 1833 ein britisches Überseeterritorium, das 13 000 km von den britischen Inseln entfernt im Südatlantik liegt. Dem argentinischen Angriff gingen seit 1965 ergebnislose diplomatische Gespräche auf Initiative der Uno voraus. Modelle wie eine gemeinsame Verwaltung, eine Pachtvariante («sell and lease back»), sogar Versuche, die Bewohner*innen der Inseln zur Abwanderung zu bewegen, wurden erörtert. Finanziell stellten die Inseln eine zunehmende Belastung für den britischen Staat dar. Die Menschen auf den Inseln jedoch fühlten sich als Brit*innen – ein Faktor, den die antikoloniale argentinische Lesart ebenso überging wie es Teile des britischen Establishments gerne getan hätten. Anders als etwa im früheren Südrhodesien (Simbabwe) herrschte auf den Falkland-Inseln keine privilegierte weiße Siedlerminderheit über eine unterdrückte autochthone Mehrheit, sondern lebte eine isolierte Bevölkerung in bescheidenen Verhältnissen, die sich tief mit Großbritannien verbunden fühlte.

Als die Eiserne Lady die Militärjunta bekämpfte: Am 2. April 1982 beginnt der argentinisch-britische Falklandkrieg. Der dadurch ausgelöste Nationalismus half Margaret Thatcher, den Sozialstaat und die Gewerkschaften zu zerstören.

Seemacht in Nöten

Die britische Führung wurde von der Invasion völlig überrumpelt. Ausgerechnet eine rechtskonservative Regierung hatte den Streitkräften rigide Sparmaßnahmen auferlegt, die insbesondere die Marine trafen. Aus Kostengründen hatte die britische Regierung auch bekanntgegeben, ihr einziges dauerhaft im Südatlantik stationierte Versorgungsschiff zeitnah abzuziehen. Die seit 1976 herrschende argentinische Militärjunta, wegen ihrer brutalen Unterdrückungspolitik, des rigiden neoliberalen Kurses und der wirtschaftlichen Krise in innenpolitischer Bedrängnis, suchte Ablenkung in einem vermeintlich leichten und populären Krieg zur «Befreiung» der Malwinen noch vor dem 150. Jahrestag der britischen Inbesitznahme. Die militärischen Sparmaßnahmen der britischen Regierung interpretierte sie als Desinteresse an der Zukunft der Inseln. Wäre die Invasion wenige Jahre später erfolgt, hätte es Großbritannien schlicht an den nötigen Marinekapazitäten für eine Rückeroberung gemangelt. Doch Zeit zu warten glaubte die angeschlagene Junta in Buenos Aires nicht zu haben. Als Folge des Krieges entging im Übrigen die Royal Navy den vorgesehenen Kürzungen.

In London stand die Regierung Anfang April unter Schock und war harter öffentlicher Kritik ausgesetzt. Schnell trat Premierministerin Margaret Thatcher jedoch die Flucht nach vorne an, indem sie, gestützt auf eine eigenmächtige Initiative des Marine-Oberbefehlshabers Admiral Henry Leach, die Entsendung einer Navy Task Force beschließen ließ. Dies geschah hochgradig improvisiert und war mit großen Risiken behaftet, die den führenden Militärs deutlicher als der politischen Führung und großen Teilen der Presse vor Augen standen. Eilig wurden alle irgendwie verfügbaren Streitkräfte zusammengesucht, Kreuzfahrtschiffe als Truppentransporter angemietet, versuchten Offiziere in öffentlichen Bibliotheken Kartenmaterial und andere Informationen über eine Inselgruppe zu erhalten, von der man eine allenfalls verschwommene Vorstellung hatte. Die Aussichten für eine militärische Rückeroberung der Falkland-Inseln waren unsicher. Daher glaubten viele Beteiligte und internationale Beobachter*innen anfangs, die Entsendung der Task Force sei in erster Linie eine sinnvolle Drohkulisse, um eine diplomatische Initiative zu ergänzen und die argentinische Regierung zu einem Rückzug zu veranlassen, dem neue Verhandlungen über eine gemeinsame Administration folgen könnten.

Dr. Florian Weisist Historiker, Referent für Demokratie und Migration am IfGder RLS und Mitglied des Gesprächskreises Geschichteder RLS.

Diplomatie in der Sackgasse

Großbritannien war diplomatisch wesentlich aktiver und erfolgreicher als Argentinien. Bereits einen Tag nach der Invasion verurteilte der UN-Sicherheitsrat bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen (darunter die beiden Vetomächte China und UdSSR) das Vorgehen Argentiniens und forderte den Rückzug seiner Truppen. Manche Länder lieferten, Boykottbeschlüssen zum Trotz, weiterhin Waffen, Munition und Ersatzteile an beide Kriegsparteien gleichzeitig, ein zynisches Phänomen, das mehr noch im parallel stattfindenden und weitaus blutigeren Ersten Golfkrieg zwischen dem Irak und dem Iran (1980–1988) festzustellen war. Für die USA unter ihrem antikommunistischen Präsidenten Ronald Reagan stellte die argentinische Invasion ein großes Problem dar, waren doch sowohl Argentinien als auch Großbritannien wichtige Verbündete. Daher versuchten sich die USA zunächst in einer neutralen Vermittlerrolle. Erst langsam und eher unwillig schlugen sie sich auf die britische Seite. Die Militärjunta hatte sich mit ihrer Invasion verrannt und sah keinen Weg, wie sie sich nach der Anstachelung einer kriegerischen Stimmung wieder zurückziehen konnte, ohne das Regime zu Fall zu bringen. Thatcher wiederum verschloss sich ebenfalls zunehmend diplomatischen Optionen.

Nachdem die Briten bis Anfang Juni 1982 unter erheblichen eigenen Verlusten die argentinischen See- und Luftstreitkräfte überwunden hatten, waren auch die argentinischen Invasionstruppen chancenlos, die im Unterschied zur britischen Berufsarmee weitgehend aus unerfahrenen und zunehmend demoralisierten Wehrpflichtigen bestanden. Mit der Rückeroberung von Port Stanley und der Kapitulation der argentinischen Landstreitkräfte am 14. Juni endete der Krieg, dem mehr als 900 Menschen zum Opfer fielen, über zwei Drittel von ihnen auf argentinischer Seite. Bis auf drei Zivilist*innen starben ausschließlich Angehörige der britischen und argentinischen Streitkräfte. Im Unterschied zu den meisten Kriegen und gewaltsamen Konflikten der letzten drei Jahrzehnte handelte es sich also um einen klassisch-konventionellen Krieg von Streitkräften. Abgesehen von der kontrovers bewerteten Versenkung des argentinischen Kreuzers «General Belgrano» am 2. Mai 1982 durch ein britisches U-Boot hielten sich die Soldaten beider Seiten überwiegend an die traditionellen Regeln und Grenzen der internationalen Kriegsführung. Argentinische Übergriffe auf die Bevölkerung der Falkland-Inseln blieben ebenso selten wie Vergehen gegen die jeweilige Kriegsgefangenen und Verwundeten.

Neoliberalismus und Nationalismus

Eine Militärdiktatur, die Tausende Menschen inhaftierte, folterte und tötete, soll hier keineswegs mit einer demokratisch gewählten parlamentarischen Regierung gleichgesetzt werden. Doch ist nicht zu übersehen, dass beide Regierungen mit einer vergleichbaren neoliberalen wirtschaftspolitischen Ausrichtung und einer konservativen Ideologie einen Krieg vom Zaune brachen beziehungsweise darauf mit kompromissloser Entschiedenheit reagierten, auch weil sie innenpolitisch schwer angeschlagen waren. Beide Regierungen, die Militärjunta unter General Galtieri und diejenige von Margaret Thatcher, mobilisierten einen primitiven Nationalismus, der von einer erschreckend großen Zahl von Menschen sowie beträchtlichen Teilen der Medien mitgetragen wurde. Die massiven sozialen und wirtschaftlichen Probleme beider Länder, alleine in Großbritannien hatte die Zahl der Arbeitslosen Anfang 1982 die Drei-Millionen-Marke überstiegen, wurden von diesem Kriegsnationalismus überlagert.

Trotz mancher Spekulationen über eine potenziell ergiebige Rohstoffgewinnung im Südatlantik, spielten ökonomische Interessen für beide Seiten eine untergeordnete Rolle. Der Krieg wurde vielmehr in erster Linie aus innen- und machtpolitischen sowie ideologischen Gründen geführt. Die argentinische Militärdiktatur hatte sich verkalkuliert und beschleunigte so durch ihre die Niederlage im Juni 1982 den Übergang zur Demokratie. Aus den freien Wahlen 1983 ging Rául Alfonsín als Sieger hervor. Umgekehrt erleichterte der «Falkland-Faktor» der bis dahin unpopulären Thatcher-Regierung die Umsetzung ihrer marktradikalen Revolution. Die Konservativen errangen im Juni 1983 einen großen Wahlsieg, auch wenn dieser letztlich nur auf rund 43 Prozent der abgegebenen Stimmen beruhte und wesentlich der Gespaltenheit der Labour Party und der gesamten Opposition zu verdanken war. Nach dem «äußeren Feind» wandte sich die Regierung verstärkt dem «inneren Feind» («the enemy within») zu, namentlich den Gewerkschaften, die 1984/85 im langen und bitteren Bergarbeiterstreik geschlagen wurden. Der Weg für den radikalen Bruch mit dem sozialstaatlichen Konsensmodell war endgültig frei.

Dass ein national-kriegerischer Taumel große Teile der argentinischen und britischen Bevölkerungen erfasste und zu einer Solidarisierung mit einer Diktatur beziehungsweise einer wirtschaftsliberal-konservativen Regierung führte, die beide wesentlich für die schweren sozialen Verwerfungen mitverantwortlich waren, ist keine neue, aber eine immer wieder bittere Erkenntnis. In diesem Sinne wirkt der anachronistische Krieg von 1982 fast wie aus einem allzu simplen Lehrbuch entlehnt.

Literaturhinweise

Max Hastings & Simon Jenkins, The Battle for the Falklands, London 1983 (neu aufgelegt 2010).

Andy McSmith, No such Thing as Society: A History of Britain in the 1980s, London 2010, S. 100-121.

Nicholas Shakespeare, The Falklands War revisited, in: The New Statesman, 16 Januar 2019

Filmdokumentation «The Falklands War – the untold Story» von 1987 und 2022