Nachricht | Pankok, Garreaud: Helios Gómez – Die Ästhetik der Revolution; Berlin 2022

Soziales Engagement und radikale Ästhetik

Information

Helios Gómez war Teil der transnationalen Netzwerke künstlerischen Schaffens, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts über fast ganz Europa erstreckten. Der 1905 in Sevilla geborene Anarchist lebte unter anderem in Spanien, Berlin und der Sowjetunion. Die Hälfte seines Lebens verbrachte er im Exil oder im Gefängnis. Seine Zeichnungen, Plakate und Gemälde erzählen bis heute aus einer subalternen und aktivistischen Perspektive vom Aufbruch und vom Kampf des Proletariats. Diese neue und eindrückliche Publikation stellt Leben und Werk des Künstlers und politischen Aktivisten vor.

Von früher Jugend an engagierte sich Gómez für die Arbeiterbewegung, gestaltete Plakate oder Cover von Zeitschriften. Viele seiner Holzschnitte waren so prägnant und aussagekräftig, dass sie auch ohne erklärende Texte funktionieren - ein Umstand der in einer von Analphabetismus geprägten Zeit wichtig war. Während der Diktatur in Spanien als Roma verfolgt, ging er schließlich 1927 erstmals ins Exil. Nach einem Aufenthalt in Paris folgten die Stationen Brüssel, Wien und Moskau. Den Winter 1928/29 verbrachte er in Berlin: Im Kreis der (kommunistischen) Assoziation revolutionärer bildender Künstlerunterwegs, knüpfte er Beziehungen zur Berliner Dada-Gruppe, zum Kreis um die avantgardistische Galerie «Der Sturm», zu den Konstruktivistenund studierte die moderne Typographie. 1932 bis 1934 lebte er nochmals in der Sowjetunion. Er kehrte schließlich nach Spanien zurück, kämpfte selbstverständlich im spanischen Bürgerkrieg. Von 1947 bis 1954 war er (wieder) im Gefängnis, bis er zwei Jahre später entkräftet in Barcelona starb.

1930 veröffentlichte die Internationale Arbeiterassoziationin Berlin die Broschüre «Dias de Ira – Tage des Zorns», die als sein Meisterwerk gilt und Realismus und Abstraktion, radikale Ästhetik und soziales Engagement verbindet. Diese Publikation wird im vorliegenden Buch auf über 50 Seiten originalgetreu und vollständig reproduziert. Die anderen knapp 100 Seiten bestehen aus durchweg sehr lesenswerten Texten zu Gómez und den künstlerischen Tendenzen jener Jahre.

Pankok und Garreaud erinnern an einen hierzulande unbekannten Künstler, dessen Leben aufgrund seines unsteten Verlaufs nicht leicht rekonstruierbar ist. Die dokumentierten Plakate und andere Werke sind beeindruckende Zeugnisse eines sozialen Anspruchs und einer antikapitalistischen Orientierung. Ästhetisch lehnte sich Gómez neben den bisher genannten Kunstrichtungen auch an den bekannten spanischen Maler Francisco Goya (1746-1828) an. Frans Masereel (1889-1972), der politische und vor allem pazifistische Motive aufgriff, war ebenfalls sehr bedeutend für ihn.

Ein wichtiges Buch, das auf jeder Seite Neues und Spannendes zu Politik und Kultur bereithält, und zeigt, dass diese im Leben von Gómez untrennbar zusammengehörten.

 

Weitere Informationen zu Gómez (incl. einiger Arbeiten) auf der Website der gemeinnützigen Stiftung Kai Dikhas: https://kaidikhas.com/exhibitions/43871/dias-de-ira-tage-des-zorns-helios-gomez-kehrt-zurueck-nach-berlin/works/

Artikelin analyse und kritikvom 16. August 2022 über die Ausstellung zu Gómez in Berlin.

Moritz Pankok, Álvaro Garreaud: Helios Gómez – Die Ästhetik der Revolution; Edition Braus, Berlin 2022, 144 Seiten, 18 Euro