Nachricht | Sozialismus am Bauhaus

Zwei wichtige Neuerscheinungen

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In den letzten Monaten ist ein Thema in die Öffentlichkeit gelangt, für das sich bisher nur sehr wenige interessierten, und zu dem die Quellenlage auch sehr klein war: die linken Student*innen am Bauhaus. 1931 waren circa 190 Studierende an der Hochschule eingeschrieben, 1932 noch 120. Die Namen der gut ein Dutzend Mitglieder der Gruppe der 1928 in Dessau gegründeten «kommunistischen Studentenfraktion» sind relativ genau bekannt, und werden die SympathisantInnen dieser Gruppe hinzugezählt, kommt man auf weitere 2-3 Dutzend Personen. Ein bemerkenswert hoher Anteil.

Im Februar 2022 fand am Bauhaus in Dessau eine hybride Tagung statt, zu der nun bereits der spannende und mit vielen Illustrationen und Abbildungen versehene Tagungsband vorliegt. Parallel wurde eine kommentierte Leseausgabe von bauhaus, dem Zirkular der KoStuFra am Bauhaus veröffentlicht. Dieses erschien in insgesamt 16 Ausgaben mit 144 Blättern, von denen allerdings einzelne Teile nicht überliefert sind, das erste Mal am 1. Mai 1930, und das letzte Mal Ende 1932. Ironischerweise hieß die offizielle Zeitschrift des Bauhaus genau gleich: bauhaus erschien von Ende 1926 bis Ende 1929 und nochmals 1931 als Organ der Hochschule1.

In der Leseausgabe ist auf den rechten Seiten des Buches immer eine Abschrift der jeweiligen Seiten des Zirkulars zun finden, und gegenüberliegend finden sich die Sach- und Einzelstellenkommentare. Die einzelnen Ausgaben erschienen geschätzt in einer Auflage von 150 bis 200 Stück, umfassen zwischen fünf und 17 Blatt, die Texte wurden alle anonym veröffentlicht, so dass nur sehr wenige zuordenbar sind. Ein längeres Vorwort von Wolfgang Thöner, einem der letzten wissenschaftlichen Mitarbeiter in Dessau, der dort schon vor 1989 arbeitete, führt ins Thema ein (S. 7-20).

Vertieft und ausgeweitet wird das Thema dann im Tagungsband. Dieser ordnet interdisziplinär in 14 Beiträgen die KoStuFra in die Zeitperiode ein, untersucht diverse Biografien, berichtet vom - in der Regel eher kritischen - Verhältnis vor allem der KoStuFra zu einzelnen Bauhaus-Meistern2 und zeichnet verschiedene inhaltliche Debatten zur Bedeutung von Kunst nach.

Marcel Boisberichtet über die Arbeit der reichsweiten KoStuFra, in der zum Beispiel Wolfgang Abendroth oder Karl-August Wittfogel aktiv waren. Er weist aber auch darauf hin, dass diese Gruppen keine große Bedeutung hatten, da zum Beispiel nur ein Prozent der Mitglieder der KPD einen Hochschulabschluss hatten. Der engagierte Kommunikationswissenschaftler Patrick Rössler referiert die vielfältige und ausdifferenzierte linke Publikationslandschaft um 1930, und weist auf die lokale, und damit letztlich geringe Bedeutung des Zirkulars hin. Anschließend berichtet Karoline Lemke, die die Edition wissenschaftlich leitete, über deren nähere Umstände. Magdalena Droste(von 1991 bis 1997 stellvertretende Direktorin des bauhaus-Archivin Berlin) untersucht die Debatten zur Architektur im Zirkular und kommt zum Schluss, dass auf Basis eines eher hölzernen Ideologiegrundes dort vieles kritisiert wurde, auch der Bauhaus-Direktor Hannes Meyer. Sandra Neugärtner erzählt von der Arbeiterfotografiebewegung, an der auch einige Bauhausstudierende teilnahmen.

Das dritte Kapitel widmet sich detaillierter den Studierenden des bauhaus´ und ihren Verbindungen zur politischen Linken. Anke Blümm, die auch an der Datenbank zu den Biografienaller Bauhäusler*innen mitarbeitet, und Ronny Schüler forschen zum Thema Bauhaus und jüdische Studierende, bzw. Bauhäusler*innen und Zionismus. Blümm berichtet, dass von den circa 1250 Studierenden die jemals am bauhaus waren, ungefähr ein Viertel nicht aus dem Deutschen Reich kam, und ein Sechstel jüdisch gewesen sei, 27 ließen sich, so Schüler und soweit bekannt, später in Palästina oder Israel nieder, und sechs hatten, bevor sie zum bauhaus kamen, bereits in Palästina gelebt. Das düstere Kapitel des sowjetischen Exils beleuchtet Andreas Schätzke: Nur die Hälfte aller Architekten im Exil überlebte dieses, viele Bauhäusler wurden im Stalinismus von Kommunisten ermordet. Der letzte Beitrag, von der renommierten Elizabeth Otto, schildert das Leben des 1908 geborenen Fotografen und Bauhäuslers Willi Jungmittag, der 1944 von den Nazis hingerichtet wurde. Otto thematisiert, dass «Widerstand» im Nationalsozialismus immer auch ambivalent gewesen sei.

«Linke Waffe Kunst» noch mehr als die «Kritische Leseausgabe» bietet viele neue und lesenswerte Informationen und Thesen. Beide Titel enthalten ein Personenverzeichnis und sind Fundgruben sowohl für die Kommunismusforschung als auch die Kunstgeschichte. Interessanter als der Inhalt des Zirkulars sind die Biografien der daran beteiligten Personen und ihres Umfeldes; viele der Bauhäusler*innen waren sehr jung, im Durchschnitt 22 Jahre. Ihre Lebenswege gingen nach dem Bauhaus weiter, und es ist bemerkenswert, wie später darüber, aus welchen Gründen (nicht) gesprochen und geschrieben wurde. Auch das ist Gegenstand des gelungenen Bandes.

Wolfgang Thöner/Florian Strob/Andreas Schätzke (Hrsg.): Linke Waffe Kunst. Die Kommunistische Studentenfraktion am Bauhaus; Birkhäuser Verlag, Basel 2022, 256 Seiten, 36 EUR

Wolfgang Thöner/Karoline Lemke (Hrsg.): bauhaus. das sprachrohr der studierenden. organ der kostufra; Verlag Spector Books, Leipzig 2022, 342 Seiten, 28 EUR

1 Ein Reprint der offiziellen Zeitschrift erschien samt Kommentar Zürich 2019. Das Zirkular ist auf dem Editionenportal Thüringen verfügbar: https://projekte.thulb.uni-jena.de/bauhaus-im-text/

2 So wurde z.B. Josef Albers vorgeworfen, er habe zusammen mit Kandinsky die Entlassung des gemeinhin als links geltenden zweiten Direktors Hannes Meyer veranlasst (S. 140). Mies van der Rohe, der dritte Direktor, relegierte zwar einige kommunistische Studierende, beschäftige sie aber danach in seinem privaten Planungsbüro in Berlin weiter.