Der 1957 geborene Robert «Fuzi» Foltin kann als der (linksradikale) Chronist der sozialen Bewegungen in Österreich gelten. In seinem neusten Buch zeichnet er die Geschichte «der Linken» in Österreich nach, teilweise mit arg groben Strichen. 1889 wird in Hainfeld die SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei) gegründet, die 30 Jahre später in Wien («Rotes Wien») hegemonial wird. Das «rote Wien» wird wegen der Verbesserung der Reproduktionsbedingungen breiter Bevölkerungskreise bekannt: Wohnungsbau, Gesundheitsversorgung, Bildung, Kultur.
Foltinthematisiert nicht nur die Sozialdemokratie und ihr Umfeld, sondern zeichnet ein vielfältiges Bild einer «broader left»: von den radikalen Arbeiter:innen- und Soldatenräten am Ende des Ersten Weltkriegs über den kommunistischen Widerstand gegen zwei faschistische Diktaturen bis hin zur«Neuen Linken» nach 1968. Er beschreibt den lebensweltlichen Konservativismus und die Kooperation von SPÖund ÖVP in den 1950er und 1960er Jahren, dem Zeitraum, in dem die im antifaschistischen Widerstand wichtige KPÖlängst marginalisiert ist.
Die vom Umfang her zweite Hälfte des Bändchens thematisiert die Zeit ab 1968, die zum einen die Hochphase der SPÖ(Alleinregierung 1971 bis 1983) ist und gleichzeitig die Entstehung der neuen sozialen Bewegungen mit sich bringt. Diese schaffen es zumindest bei einzelnen Themen, den sozialpartnerschaftlich pazifizierten Austrokapitalismus herauszufordern: sei es im Kampf gegen das (zwar gebaute, aber nie in Betrieb genommene) Atomkraftwerk Zwentendorfund das Wasserkraftwerk in Hainburg, durch die autonome Frauenbewegung, indirekt auch durch die überraschend starke migrantische Selbstorganisation, und schließlich in Form der Studierendenproteste (#Unibrennt, ab 2009) oder der Bewegungen für Klimagerechtigkeit des neuen Jahrtausends.
Foltin referiert selbstverständlich auch die vielen verschiedenen linken Kleingruppen, ihre Wege, ihre Streitigkeiten und (daraus resultierenden) Spaltungen. Er hangelt sich oft an den kalendarischen Daten bestimmter Ereignisse (Wahlergebnisse, Demonstrationen, Konferenzen) entlang, was auf Dauer etwas ermüdend wirkt.
Für im Thema bereits belesene bringt der Band vermutlich nicht wirklich neues. Für Menschen, die sich mit Österreich nicht so auskennen, ist er, gerade in Verbindung mit dem 2011 erschienenen Buch Foltins «Und wir bewegen uns noch. Zur jüngeren Geschichte sozialer Bewegungen in Österreich» sehr hilfreich. Bereits 2004 war, ebenfalls von Foltin, «Und wir bewegen uns doch. Soziale Bewegungen in Österreich» im Eigenverlag erschienen (Link zum PDFdieses Buches).
Robert Foltin: Die Linke in Österreich. Eine Einführung; mandelbaum Verlag, Wien/Berlin 2023, 237 Seiten, 14 Euro