Nachricht | Antisemitismus (Bibliographie) - Linke und jüdische Geschichte - Deutsch-deutsche Geschichte Treuenfeld: Jüdisch jetzt. Junge Jüdinnen und Juden über ihr Leben in Deutschland; München 2023

26 Porträts zeigen Vielfalt

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Die Journalistin Andrea von Treuenfeld hat 26 in der Öffentlichkeit stehende («deutsche») Juden und Jüdinnen zwischen Mitte 20 und Anfang der 40er Jahre befragt und ihre Ergebnisse als kurze Porträts in einem Buch veröffentlicht. Sie fragte vor allem danach, wie die Porträtierten sich heute fühlen und was «jüdisch-sein» für sie bedeute.

Befragt wurden Schauspieler*innen und Musiker*innen, Schriftsteller*innen, aber auch Politiker*innen und Aktivist*innen jüdischer «NGOs» und des Politikbetriebs. Sie geben einen Einblick in ihr Leben und ihre Biografien, berichten von der sehr unterschiedlichen Bedeutung, die Traditionen (darunter in erster Linie die jüdische) für sie haben. Es wird deutlich, dass die jüdische Tradition eine ist, die von ihnen sehr unterschiedlich verstanden wird. Pluralität zeigt sich auch im Umgang mit Israel, das für einige das Land ihrer Staatsbürgerschaft, für andere aber - im realen und übertragenen Sinne - weit entfernt ist.

Das Buch zeigt, dass es auf die Frage nach dem «jüdisch-sein» vielleicht nicht die eine Antwort gibt; ist es für die eine «Tradition», sagen andere «Kultur», «Religion» oder gar (individuelles) Lebensgefühl. Bei der Definition spielt zum einen die Familie und damit die Herkunft eine große Rolle, sind doch einige in Deutschland geboren, andere aus Israel, den Staaten der ehemaligen Sowjetunion oder den USA hierher gekommen. Zum anderen zeigen die Antworten eine gewisse Vielfalt, etwa im Umgang mit Sprache oder im Verständnis von «Heimat». Die Vielfalt, und damit auch die Differenzen und die Diversität, wie sie heute für die moderne Gesellschaft prägend sind - und wie sich heute auch in der jüdischen Community zeigen.

Antisemitismus haben die meisten erfahren. Die Herausgeberinwollte aber, wie sie schreibt, in ihrem Vorhaben «jene drei Begriffe [vermeiden], mit denen Juden und Jüdinnen immer noch in Verbindung gebracht werden: Shoa, Antisemitismus und Nahostkonflikt» (S. 7). Das blendet zwar sehr viel aus, ermöglicht es aber auch, einen Ausschnitt aus der Vielfalt des zeitgenössischen jüdischen Lebens in Deutschland zu zeigen.

Ein umfangreiches und nützliches Glossar mit Begriffen aus dem Judentum (S. 226-249) schließt den stellenweise sehr persönlichen und nicht nur deswegen wertvollen Band ab.

Andrea von Treuenfeld: Jüdisch jetzt. Junge Jüdinnen und Juden über ihr Leben in Deutschland; Gütersloher Verlagshaus, München 2023, 254 Seiten, 22 Euro