«People over Profit» – unter diesem Motto fand vom 12. bis 18. Oktober in Genf der 31. Kongress des weltweiten Dachverbands der Dienstleistungsgewerkschaften, Public Service International (PSI), statt. Über 1200 Delegierte vertraten dabei die rund 700 Mitgliedsorganisationen des 1907 in Berlin gegründeten Verbandes.
Thematisch ging es auf dem Kongress insbesondere um die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Mit Schwerpunkten in Krankenhäusern, Schulen und Verwaltungen standen die PSI-Mitgliedsgewerkschaften in der ersten Reihe des Kampfes gegen die Pandemie. Und als einzige der Global Union Federations (GUF, weltweite Gewerkschaftsdachverbände), die in der Weltgesundheitsorganisation WHO vertreten ist, nutzte die PSI ihren Einfluss dort, um sich für die Rechte von Arbeiter*innen während der Pandemiebekämpfung einzusetzen.
Florian Wilde ist Referent für internationale Gewerkschaftsarbeit bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Trotz einiger Erfolge auf diesem Gebiet sind die Corona-Jahre auch an der PSI nicht spurlos vorübergegangen. Die Zahl der Mitglieder, für die die Mitgliedsgewerkschaften Beiträge an den Dachverband entrichteten, sank seit dem letzten Weltkongress vor fünf Jahren um 700 000 auf nun 10,1 Millionen.
Eine Entwicklung, die der neu gewählte PSI-Generalsekretär Daniel Bartossa unter anderem mit dem Fokus auf die Organisierungsarbeit umzudrehen hofft. Er bringt Erfahrungen aus Kampagnen für bessere Löhne und Arbeitsplatzsicherheit sowie gegen Outsourcing und prekäre Arbeitsverhältnisse in Australien und Großbritannien mit. Die zunehmende Bedeutung der Basisarbeit für die PSI zeigte sich auch auf einem von Bartossa eröffneten Workshop zum Thema Organizing. Das ist ein Gewerkschaftsansatz aus den USA, der darauf abzielt, aktive Mitglieder an der Basis zu gewinnen und diese stärker in die Willensbildung einzubeziehen.
Als Gastrednerin war dazu auch die US-amerikanische Autorin und Organizerin Jane McAlevey eingeladen. Sie stellte in ihrer Grundsatzrede zentrale Methoden wie die Identifizierung organischer betrieblicher Führungspersönlichkeiten vor. «Mit einer hohen Beteiligung und einer straffen betrieblichen Organisation können Gewerkschaften auch weiterhin die nötige Macht aufbauen, um zu gewinnen», sagte McAlevey. Sie unterstrich dabei die Bedeutung massiver und gegebenenfalls auch illegaler Streiks, die mithilfe von Bündnispartner*innen und Communitys organisiert werden müssten. Strategische Allianzen mit Bewegungen und anderen Gewerkschaften könnten dabei den Erzählungen der Unternehmen effektiv entgegenwirken. McAlevey lud auf dem Kongress zu einer Teilnahme an dem globalen Organizing for Power-Trainingsprogramm der Rosa-Luxemburg-Stiftung ein, an dem sich bereits mehr als 30.000 Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen aus 130 Ländern beteiligt haben.
Neben Fragen der Organisierungsarbeit spielte auch die politische Ebene eine wichtige Rolle auf dem Kongress. So setzt sich die PSI im Rahmen von Kampagnen für höhere Reichen-Steuern zur Finanzierung eines guten öffentlichen Dienstes ein. Zudem kann sie auf Erfolge in ihrer politischen Kampagnenarbeit seit dem letzten Weltkongress zurückblicken: Die PSI und ihre Mitgliedsorganisationen nahmen eine führende Rolle bei den Kämpfen gegen die Handelsabkommen Trade in Services Agreement (TiSA) und Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) ein.
Daneben kämpft der Gewerkschaftsdachverband sowohl auf politischer Ebene als auch durch konkrete Arbeit in den Betrieben gegen die Privatisierung. Er zielt dabei insbesondere auf die Delegitimierung von sogenannten Public-Private Partnerships. Besonders im Fokus steht etwa der Medizintechnik- und Gesundheitskonzern Fresenius, der mittlerweile in über 100 Ländern aktiv ist und eine gewerkschaftsfeindliche Politik verfolge. Gemeinsam mit ver.di in Deutschland und der SEIU-Gewerkschaft aus den USA hat die PSI eine globale Anti-Fresenius-Allianz gegründet, um die Macht der Beschäftigten zu stärken, für höhere Löhne zu kämpfen und durch politische Interventionen den Konzern unter Druck zu setzen.
Abschließend ging es auf dem Kongress um Kämpfe um Anerkennung und Gleichberechtigung, auch innerhalb der Gewerkschaften selbst. Nach eigenen Angaben hat sich die PSI bei der internationalen Arbeitsorganisation ILO für Beschlüsse gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz eingesetzt. Zudem habe die Dienstleistungsgewerkschaft als erster Dachverband eine Arbeitsgruppe für LGBT-Kolleg*innen eingerichtet. Das Thema war indes umstritten, wie sich an den Bedenken einiger afrikanischer und osteuropäischer Delegierter bei der Verabschiedung einer Resolution zu LGBT-Kommissionen zeigte. Ebenfalls kontrovers wurde eine Resolution zur Eskalation im Nahen Osten diskutiert, in der die Verantwortung Israels aus Perspektive arabischer Delegierter nicht klar genug benannt wurde.
Baba Aye aus Nigeria blickt dennoch positiv auf den Kongressverlauf zurück: Er habe eine gute Grundlage gelegt, um in den nächsten fünf Jahren weiter gegen die Profitlogik zu kämpfen, resümierte der PSI-Sekretär für Gesundheitswesen und Sozialdienste.