Kommentar | Stadt / Kommune / Region - Sozialökologischer Umbau - Wärmewende - Industrieumbau Großwärmepumpen: klimaneutral und sozial

In Skandinavien hocheffizient, hierzulande im Dornröschenschlaf. Studie untersucht Potential für Brandenburg und Sachsen

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Uwe Witt,

In einem Heizkraftwerk in Schöneweide steht eine Flusswasser-Großwärmepumpe. Diese Pumpen, die Umweltwärme aus der Spree für das Fernwärmenetz nutzen, sollen die Steinkohle ersetzen.
Die Wärme der Zukunft?
 
In einem Heizkraftwerk in Schöneweide steht eine Flusswasser-Großwärmepumpe. Diese Pumpen, die Umweltwärme aus der Spree für das Fernwärmenetz nutzen, sollen die Steinkohle ersetzen. Foto: picture alliance/dpa | Christophe Gateau

Bislang gibt es so gut wie keine Großwärmepumpen in Deutschland. Dabei werden sie in Skandinavien oder Frankreich häufig eingesetzt, weil sie hocheffizient und umweltfreundlich große Mengen an Wärme auch in verdichtete Räume liefern, wie es etwa Stadtteile sind. Kleine dezentrale Wärmepumpen, die sich beispielsweise für Bereiche mit Ein- und Zweifamilienhäusern gut eignen, stoßen hier häufig an ihre Grenzen. Ebenso werden die riskanten Fantasien einiger deutscher Energieversorger nicht aufgehen, die Städte später zu hohen Anteilen mit teurem und knappen grünen Wasserstoff zu beheizen.

Eine Studie der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG (Fraunhofer IEG) hat sich im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung genauer angeschaut, welchen wichtigen Beitrag Großwärmepumpen für einen sozialen und ökologischen Umbau in Städten leisten können und schlägt am Beispiel der Bundesländer Sachsen und Brandenburg Lösungen vor, wie diese Technologie hier sinnvoll vorankommen kann.

Was sind Großwärmepumpen?

Großwärmepumpen basieren auf dem gleichen Grundprinzip wie Wärmepumpen, die in Einfamilienhäusern oder kleineren Mehrfamilienhäusern eingesetzt werden, indem Wärme aus der Umgebung auf ein Kältemittel übertragen und durch Verdichtung auf ein höheres Temperaturniveau angehoben wird. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrem Leistungsbereich (Heizleistung von 100 kW oder mehr) und zum Teil auch in der Verdichtertechnologie. Im dänischen Esbjerg baut beispielsweise das bayerische Unternehmen MAN gerade eine Großwärmepumpe mit einer thermischen Leistung von 60 Megawatt, die 100.000 Einwohner*innen (ca. 25.000 Haushalte) klimafreundlich versorgen wird. Als Wärmequellen kommen Oberflächengewässer, Abwasser, Geothermie, Umgebungsluft, industrielle Abwärme und Abwärme aus Rechenzentren oder Grubenwasser infrage.

Großwärmepumpen sind nicht nur höchst effizient, sie eignen sich auch für einen gemeinwohlorientierten Betrieb über Stadtwerke, städtische Eigenbetriebe, Wohnungsgenossenschaften bzw. dörfliche oder Bürgerenergie-Gemeinschaften. Sie können so einen wertvollen Beitrag leisten, die Rolle kommunaler Akteure und die soziale Komponente in der Energieversorgung zu stärken. Vielen Bürger*innen, die sich heute vielleicht von der Energiewende im Heizungsbereich überfordert fühlen, kann der Ausbau grüner Wärmenetze mit Großwärmepumpen im kommunalen oder gemeinschaftlichen Eigentum eine hoffnungsvolle Perspektive bieten.

Die Technologie kann auch kleine und mittlere Unternehmen in ihren Klimaschutzbemühungen unterstützen. Denn Großwärmepumpen erlauben deutlich höhere Vorlauftemperaturen (bis zu 200 Grad Celsius und mehr), was ihren Einsatzbereich gegenüber kleinen dezentralen Wärmepumpen bis hin zu Industrieanwendungen deutlich ausweitet. Zudem kann in Wärmenetze vielerorts auch die Abwärme von Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft eingespeist werden. Nicht zuletzt lässt sich mit Wärmepumpen auch Kälte erzeugen – angesichts der immer heißeren Sommer ein Beitrag zur Klimaanpassung.

Wie ein gutes Konzept diskreditiert wurde

Im Jahr 2023 wurde nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in den 40,9 Millionen Wohnungen in Deutschland fast jede zweite Heizung mit Erdgas und knapp jede vierte mit Öl betrieben. Nach dem Klimaschutzgesetz ist der Wärmebedarf jedoch bis spätestens 2045 vollständig klimaneutral zu decken. In Anbetracht der üblichen Nutzungsdauer von Heizungssystemen von 20 bis 30 Jahren war es demnach längst überfällig, den Einbau fossil befeuerter Heizungen sukzessive zu unterbinden.

Die als «Heizungsgesetz» bezeichnete Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) nahm sich im letzten Jahr dieser Aufgabe an, und zwar mit einer festgeschriebenen Quote eines Anteils regenerativer Energien und unvermeidbarer Abwärme in Höhe von zunächst 65 Prozent bei neu installierten Heizsystemen.

Es gab es berechtigte und notwendige Kritik an der GEG-Novellierung. Parallel dazu starteten die fossile Gaswirtschaft und andere Akteure desorientierende Kampagnen, die nicht zuletzt die hocheffiziente Wärmepumpe diskreditierten. Letztere ist jedoch ökonomisch und ökologisch eine herausragende Lösung für eine klimafreundliche Wärmeversorgung.

Lösung für Städte und verdichtete Gebiete

Eher am Rande der Debatten blieb die Frage, mit welcher Heizungsquelle eigentlich Städte, anderweitig verdichtete Siedlungsgebiete und Industrieanlagen dekarbonisiert werden sollen. Diese Frage haben sich seit Beginn der Energie- und Energiepreiskrise im Jahr 2022 auch immer mehr Bürger*innen gestellt. Denn im Zentrum bisheriger medialer und politischer Betrachtungen beim Heizungstausch standen vor allem Eigenheime oder kleinere Mehrfamilienhäuser, in denen die Installation einer Wärmepumpe oder einer der im GEG zugelassenen Alternativen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen wäre. Eine Antwort darauf ist die im GEG sowie im neu geschaffenen Wärmeplanungsgesetz verankerte Option für Hauseigentümer*innen, sich mit «grüner Fernwärme» versorgen zu lassen. Wie genau diese Wärmenetze künftig klimaneutral beheizt werden können, ist eine Anschlussfrage, die sich momentan Verantwortliche in Städten und Kommunen im Zuge der nun anstehenden kommunalen Wärmeplanungen stellen dürften.

Bei den europäischen Nachbarn längst etabliert

Eine naheliegende Option dafür spielt in Deutschland leider bislang so gut wie keine Rolle: die Großwärmepumpe. Dabei wäre es im Jahr 2045 nach einer im letzten Jahr im Auftrag von Agora Energiewende erstellten Studie der Fraunhofer IEG notwendig und volkswirtschaftlich sinnvoll, über 70 Prozent der Fernwärme mittels Großwärmepumpen bereitzustellen. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Großwärmepumpe beispielsweise in Skandinavien eine etablierte und zusehends genutzte Technologie. Neben den Vorreitern Norwegen mit einem Anteil an der Fernwärmeversorgung von rund 13 Prozent und Schweden mit über 8 Prozent haben auch Finnland, Dänemark und Frankreich im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Wärmeerzeugungsanteile durch Großwärmepumpen. In Deutschland betrug der Anteil hingegen im Jahr 2022 noch nahezu null Prozent.

Studie als Entscheidungshilfe

Vor diesem Hintergrund hat die Rosa-Luxemburg- Stiftung Ende letzten Jahres die Fraunhofer IEG mit einer Studie zum Potenzial von Großwärmepumpen für die Wärmewende im Land Brandenburg und dem Freistaat Sachsen beauftragt. Ziel dieser nun vorliegenden Studie ist es, mit den Ergebnissen kommunalen Verantwortungsträger*innen und Hauseigentümer* innen, aber auch Umweltgruppen und Mieterorganisationen vor Ort eine bessere Grundlage für ihre Entscheidungsfindung und politische Arbeit zu geben, um die Wärmewende sozial und ökologisch zu gestalten.

Die Studie untersucht am Beispiel der Bundesländer Sachsen und Brandenburg, inwieweit die Großwärmepumpentechnologie und die dazugehörige Infrastruktur eine geeignete Lösung zur Transformation der Wärmeversorgung sein kann. In der Studie werden dazu auch eine Reihe von Praxisbeispielen aus anderen Teilen der Bundesrepublik sowie europäischen Ländern vorgestellt und Ansatzpunkte sowie Orientierung dazu gegeben, wo und wie sich gute Bedingungen für Großwärmepumpen in Sachsen und Brandenburg nutzen bzw. schaffen lassen.

Ist die Lösung nicht eher «grüner Wasserstoff»?

Selbstverständlich wird die Großwärmepumpe nicht die eine beste Lösung für alle Anwendungsfälle sein, denn ihre Wirtschaftlichkeit und Effizienz hängen sowohl von der jeweilig verfügbaren Wärmequelle und den sonstigen Standortbedingungen als auch von den konkreten Charakteristika der zu versorgenden Wärmenetze und Gebäude ab. In vielen Fällen – so zeigt es auch die vorliegende Studie der Fraunhofer IEG – wird beispielsweise die dezentrale Wärmepumpe eine gleichwertige oder bessere Lösung sein. Doch gerade für urbane und stark verdichtete Räume wird es perspektivisch kaum eine andere klimafreundliche Option geben als das System Großwärmepumpe–Wärmenetz–Wärmespeicher, ergänzt durch die Nutzung unvermeidbarer Abwärme.

Grüner Wasserstoff als vermeintliche Alternative wird hingegen für den Gebäudebereich schlicht nicht in ausreichenden Mengen und zu akzeptablen Preisen verfügbar sein, wie zahlreiche Studien belegen. Dessen Einsatz im Wärmesektor wäre ohnehin um ein Vielfaches inneffizienter als der einer Wärmepumpe, wie die Studie nachweist. Angesichts des großen Ökostrombedarfs für seine Herstellung und der hohen Energieverluste entlang der Wertschöpfungskette von grünem Wasserstoff sollte dieser möglichst nur jenen Anwendungen vorbehalten sein, die durch eine direkte Elektrifizierung nicht zu dekarbonisieren sind. Das betrifft zum Beispiel Reduktionsprozesse bei der Roheisenherstellung, Teile der Grundstoffchemie, perspektivisch auch den Flug- und Seeverkehr sowie die Rückverstromung in Gaskraftwerken in Zeiten der Dunkelflaute.

Gemeinnützig regulierte Wärmenetze sind die Zukunft

Um heute einen wirtschaftlichen Betrieb von Großwärmepumpen in Deutschland zu ermöglichen und Anreize für entsprechende Investitionen in Wärmenetze und -speicher zu schaffen, bedarf es zuverlässiger politischer Rahmenbedingungen und ausreichender Planungssicherheit. Die Studie macht dafür Vorschläge. Sicher werden auch die infolge europäischer Regelungen absehbar steigenden CO2-Preise im Wärmesektor die Rentabilität von Wärmepumpen gegenüber Gasheizungen verbessern. Im Gegenzug wird jedoch die bereits im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung vereinbarte und mehrfach zeitnah angekündigte Zahlung eines Klimagelds umso dringlicher, insbesondere für Haushalte mit geringen Einkommen und Vermögen.

Parlamentarier der LINKEN haben in den letzten Monaten Anfragen an die jeweiligen Regierungen zu Potentialen der Großwärmepumpe und notwendigen Rahmenbedingungen zu ihrem Hochlauf gestellt. Antworten gibt es von der Bundesregierung sowie von den Landesregierungen in Sachsen (eins und zwei) und Brandenburg.

Aus Sicht der Verbraucher*innen kann die Abhängigkeit von einem Wärmeversorger, der für die netzgebundene Versorgung ein natürliches Monopol darstellt, problematisch sein. Denkbar wäre ein Missbrauch, etwa über intransparente Preisgestaltungen. Aus diesem Grund ist die Regulierung der netzgebundenen Wärmeversorgung zu verbessern. Hier verweist die Rosa-Luxemburg-Stiftung auf den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Dieser fordert schon seit längerem eine verbraucherfreundliche Novellierung der Fernwärme-Verordnung sowie die Einführung einer bundeseinheitlichen Preisaufsicht durch eine unabhängige Stelle. Fehlender Verbraucher- und Mieterschutz kann ansonsten zum Investitions- und Transformationsrisiko für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung werden.

In der Studie vorgestellte gemeinnützige oder partizipative Gesellschaftsformen für die netzgebundene Wärmeversorgung, beispielsweise als Nahwärmegenossenschaft der Anschlussnehmer, können solchen Problemen von vorherein aus dem Weg gehen.