1995 erschien das Buch «The 43 Group. Antifaschistischer Kampf in Großbritannien 1946-1950» von Morris Beckman,[1] einem Mitglied dieser ungewöhnlichen Gruppe von ganz überwiegend jüdischen Frauen und Männern, die im Zweiten Weltkrieg in den britischen Streitkräften gegen Nazi-Deutschland gekämpft hatten und nicht bereit waren, das Wiederaufkommen britischer faschistischer Gruppen nach dem Krieg hinzunehmen. Daniel Sonabend hat 2019 bei Verso nun eine umfassendere Geschichte der Gruppe vorgelegt.
Die 43 Group gründete sich 1946, weil sie unzufrieden mit dem ihr zu passiv erscheinenden Verhalten anderer jüdischer Organisationen war. Ihr gehörten auf ihrem Höhepunkt möglicherweise 2.000 aktive Mitglieder an. Anfangs bestand die Gruppe fast ausschließlich aus früheren Soldaten und Offizieren, darunter einigen, die hochdekoriert waren. Ihr Hauptaktionsfeld waren die Londoner Stadtteile mit einer großen jüdischen Bevölkerung wie das East End und der Nordwesten der Stadt, wo Mosleys Schwarzhemden vor dem Krieg Massenaufmärsche abgehalten hatten. Im Zentrum ihrer Aktivitäten stand die Störung und Verhinderung von faschistischen Veranstaltungen mit dem Ziel, direkt und indirekt, d. h. über das Einwirken auf die Politik, ein Erstarken des Mosley-Faschismus zu verhindern. Dies schloss eine rege «nachrichtendienstliche» Tätigkeit sowie Medienarbeit ein.
Viele Faktoren trugen dazu bei, dass das große Comeback von Mosley und seinem «Union Movement» ausblieb und er sich ab 1950 fast ausschließlich im Ausland aufhielt. Die 43 Group hat an diesem Erfolg einen erheblichen Anteil, zusammen mit der damals im Osten Londons noch starken Kommunistischen Partei und anderen Antifaschist*innen. In der Folge ihres Teilerfolges löste sich dann 1950 die 43 Group auf.
Die jüdischen Antifaschist*innen agierten militant, offensiv und traten selbstbewusst als jüdische Gruppe auf. Sie waren ausschließlich auf die Abwehr von Faschismus und Antisemitismus ausgerichtet und somit offen für alle anderen politischen Strömungen. Trotz nicht seltener Auseinandersetzungen mit Polizisten wurden Staat und Polizei nicht als Gegner betrachtet. In der Praxis waren die Kommunist*innen oft gern gesehene Verbündete, doch widersprach die 43 Group ihren Gegner*innen in der jüdischen Community entschieden, die sie zuweilen entweder als Hooligans oder als verkappte Kommunist*innen zu diskreditieren versuchten. Für Sonabend stellt diese Mischung eine wesentliche Schlussfolgerung für die Gegenwart dar: ausgeprägte antifaschistische Radikalität bei gleichzeitiger breitestmöglicher demokratischer Anschlussfähigkeit unter Inkaufnahme sonstiger politischer Differenzen.
Daniel Sonabend hat ein lebendiges, informationsreiches Buch vorlegt, das zuweilen etwas reichlich anekdotisch gerät, im Ganzen jedoch eine wichtige Darstellung eines kämpferischen Antifaschismus und einer militanten jüdischen Selbstorganisation liefert.[2]
[1] Morris Beckman, Antifaschistischer Kampf in Großbritannien 1946-1950. Harald-Kater-Verlag, Berlin 1995.
[2] Es gibt einige Videodokumentationen und Clips zur 43 Group, hier sei auf einen kurzen Beitrag von „Momentum“ hingewiesen (https://www.youtube.com/watch?v=isEk5JMdivE), zudem auf ein Video des „Guardian“ (https://www.youtube.com/watch?v=aSNkTnIsWho) und eine etwas längere Dokumentation ( https://www.youtube.com/watch?v=aSNkTnIsWho).
Daniel Sonabend: We Fight Fascists. The 43 Group and Their Forgotten Battle for Post-war Britain, London 2019: Verso (384 S., £12.99).
Eine Kurzfassung der Besprechung erschien erstmals am 15. September 2020 in der Zeitschrift analyse und kritik.