Immer wieder wird konstatiert, Die Linke würde die Stimmen der «Arbeiter» verlieren. Die Bilder, die dabei häufig transportiert werden, sind seltsam eindimensional, fast altmodisch, beziehen sich nur auf einen ganz bestimmten Ausschnitt von Klasse: den männlichen, mit manuellen Tätigkeiten befassten Industriearbeiter. Demgegenüber werden andere Teile entnannt bzw. als gar nicht der Klasse zugehörig behauptet. Entsprechend polarisiert verläuft oft die Debatte, die aus wirklichen Differenzen harte und falsche Gegensätze produziert: Arbeiter*innen vs. jung-urbane Akademiker*innen, Identitäts- versus Klassenpolitik oder auch Kosmopolit* innen vs. Kommunitarier*innen.
Es fragt sich vielmehr: Wer sind «die Arbeiter*innen» heute? Der Kohlekumpel in der Lausitz, die von Digitalisierung bedrohte Industriearbeiterin, der DHL-Bote am Ende einer informatisierten Logistikkette, die Krankenpflegerin im modernen Krankenhauskonzern, der Informatikingenieur, der feststellt, dass sein hoch qualifiziertes Wissen in kurzer Zeit entwertet wird durch neue Technologien und jüngere Konkurrent*innen, die jungen, urbanen, akademisch qualifizierten, aber häufig prekarisiert Arbeitenden mit unsicheren Zukunftsaussichten?
Wir sind der Sache also etwas tiefer auf den Grund gegangen und haben gefragt, in welchen Branchen und Berufen die potenziellen Wähler*innen der Partei Die Linke arbeiten, sofern sie berufstätig sind. Welche Probleme sehen sie als prioritär an, welche Forderungen zur Verbesserung der Lage finden sie besonders wichtig? Wie unterscheiden sich die Lagen und Einschätzungen nach Geschlecht, Einkommen, Qualifikation usw.? Sind sie gewerkschaftlich aktiv? Haben sie schon einmal Diskriminierungserfahrungen machen müssen? Haben sie einen Migrationshintergrund und wenn ja, welchen? Fragen, die hoffentlich ein vielfältiges Bild der Beschäftigten erkennen lassen, die für eine Partei wie Die Linke aufgeschlossen sind und sie potenziell wählen.
Das Fazit der Studie:
Die Linke hat «die Arbeiter*innen» nicht verloren, aber die Welt der Arbeit hat sich verändert. Außer bei den Beschäftigten in der Industrie mit einem deutlich höheren Lohnniveau dominieren die niedrigen Nettohaushaltseinkommen das linke Wähler*innenpotenzial. Eine Verschiebung innerhalb dieses Potenzials zugunsten stärker akademischer Milieus wird zwar gern behauptet, lässt sich aber anhand der vorliegenden Befragung nicht bestätigen. Die Befragten, die dem linken Wähler*innenpotenzial angehören, repräsentieren eine weiblichere und migrantischere Arbeiter*innenklasse, die grundsätzlich prekärer und stärker Richtung Dienstleistungssektor verschoben ist. Gewissermaßen bildet sich darin die Neuzusammensetzung der Klasse der Lohnabhängigen ab.