Publikation Soziale Bewegungen / Organisierung - Geschlechterverhältnisse - Ungleichheit / Soziale Kämpfe Neinsagen lohnt sich

Auf einem »Treffen der Generationen« in Düsseldorf diskutierten linke Feministinnen über Rebellion und Perspektiven solidarischen Miteinanders

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Erschienen

Mai 2010

Seit über 40 Jahren setzt sich Florence Hervé für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen ein. »Die Bedingungen haben sich verändert, nicht aber die grundsätzliche Diskriminierung von Frauen«, sagte die 65jährige am Dienstag in Düsseldorf. Im Kulturzentrum Zakk war sie neben Mithu Sanyal und Jana Hansjürgen zur Podiumsdiskussion »Treffen der Generationen. Rebellinnen gestern – heute – morgen« geladen, veranstaltet von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrhein-Westfalen. Dabei ging es nicht darum, welcher Feminismus besser sei, sondern wie gemeinsam und kraftvoll gekämpft werden kann und welche Prägungen und Inspirationen für welche Generation der Frauenbewegung typisch sind.

Als Florence Hervé in den 60er Jahren nach Deutschland kam, erlebte sie die Verharmlosung der Nazivergangenheit und ein spießiges, repressives Land. Was es hieß, im Jahr 1966 eine Frau zu sein, wurde der gebürtigen Französin bewußt, als ihr vom Stu­dium abgeraten wurde – schließlich habe sie zwei Kinder. Mit der Gründung eines Arbeitskreises Emanzipa­tion innerhalb des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) begann ihre feministische Arbeit. Zur Lektüre von August Bebel und Karl Marx kam die von Simone de Beauvoir und Clara Zetkin.

Die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal, Jahrgang 1971, findet, viele Probleme in ihrem Alltag hätten noch immer denen von der vorigen Generation geähnelt. »Ich hatte lange Probleme, ›ich‹ zu sagen und eine gleichberechtigte Partnerschaft einzufordern«, sagt sie rückblickend. In den Büchern bekannter Feministinnen und Kämpferinnen fand sie Antworten, die sie anderswo nicht entdecken konnte.

Jana Hansjürgen dagegen, die in der schwul-lesbischen Jugendarbeit tätig ist, gab zu Protokoll, sie habe Nachteile aufgrund ihres Geschlechts bewußt nicht erlebt. Die junge Sozialpädagogin kommt aus einem 1500-Seelen-Dorf und outete sich dort 16jährig als Lesbe. Heute, mit Ende 20, sieht sie manches anders, auch durch die Erfahrung im Beruf. »Ich habe von dem profitiert, wofür andere gekämpft haben«, weiß sie. Es seien viele Frauen, die ihren Lebensweg positiv geprägt hätten und ihr Vorbild seien. »Voneinander lernen ist großartig«, schwärmt sie.

Jede der drei Frauen auf dem Podium stellte »Rebellinnen« vor, die ihr Leben beeinflußt haben. Mithu Sanyal nannte die Philosophin bell hooks, die US-Bürgerrechtlerin Angela Davis, aber auch die »Pornographiekünstlerin« Annie Sprinkle – jede habe sie in ganz eigener Weise und in verschiedener Hinsicht geprägt.

Für Florence Hervé war Clara Zetkin die wichtigste Rebellin. Noch immer werde die Kommunistin, die die proletarische Frauenbewegung prägte, nicht ausreichend gewürdigt und sogar falsch verstanden. »Es lohnt sich, nein zu sagen und zu kämpfen. Das habe ich von Zetkin gelernt«, so Hervé. Deren Wirken zeige, daß Solidarität in allen Bereichen essentiell ist. »Das vermisse ich heute ein bißchen«. Heute sei es an den jungen Frauen, die alten Ideale zu stärken und im Kampf für gleiche Rechte nicht nachzulassen.

Das Düsseldorfer Kulturzentrum Zakk (Fichtenstraße 40) bietet passend zur Diskussion den zweiteiligen Workshop »Rebellinnen« am 29./30.Mai und am 12./13. Juni, jeweils von 11-17 Uhr, an. Anmeldung: www.rls-nrw.de, post@rls-nrw.de

erschienen in der jungenWelt am 21.5.2010