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Was hat die Revolutionärin Rosa Luxemburg heute noch zu sagen? Damit beschäftigte sich die Regisseurin Anja Gronau in ihrem Stück „Rosa – Ich war, ich bin, ich werde sein“, das im FFT Jutta in Düsseldorf aufgeführt wurde. Gleich drei Schauspielerinnen stellen die fassettenreiche Persönlichkeit der Sozialistin Rosa Luxemburg dar: Da ist die analytisch-theoretische Denkerin im klassischen schwarzen Kostüm, die mit Zahlen um sich schmeißt, an ihrer Doktorarbeit über Polens industrielle Entwicklung schreibt, Marx’ Kapital ergänzt und selbst im Schlaf noch von Akkumulation und Systemimmanenz spricht. Daneben erscheint die sehnsüchtig Liebende, die ellenlange Briefe an „Leo“ (Jongiches) schreibt und aus dem Fenster des Gefängnisses Buchfinken, Spatzen und Tauben beobachtet. Aus dieser verträumten und etwas melancholischen Gefühlswelt gelingt es der dritten Figur, der Agitatorin, sich immer wieder herauszureißen, denn nur durch die Revolution ist eine besser Zukunft für alle Menschen auf der Welt möglich. Doch dazu muss noch viel erledigt werden: „Ich schreibe Flugblätter, ich Briefe und du schreibst die Einführung in die soziale Ökonomie zu Ende“, rufen sich die Rosas zu und beginnen flink mit der Arbeit.
Doch wer ist heutzutage die proletarische Masse, für die Rosa Luxemburg vor mehr 100 Jahren kämpfte. Auch darauf hat Gronau eine Antwort: Nämlich das Prekariat, die Ein-Euro-Jobber, Angestellte, ausgebeutete Praktikanten, Kurzarbeiter und Leiharbeiter. Die Rosas auf der Bühne klagen die gegenwärtige Gesellschaft an, die verstanden hat, dass sich der Kapitalismus in der Krise befindet und trotzdem „dem Neolibalismus von Merkel und Westerwelle wieder zur Macht verhilft.“
Gronau bindet die Zuschauer ein, lässt sie das Vermögen der reichsten Milliardäre in Deutschland in Zahlen lesen, was nicht jedem gelingt, denn Milliarden-Beträge bekommen normale Bürger nicht täglich zu sehen. Rosa Luxemburg ist entsetzt über die moderne Zeit: „Gibt es hier noch denkende Menschen oder nur noch Konsumenten“. Aber auch über den so genannten Kommunismus in China, Russland und der DDR regt sie sich auf: „Das war so viel Sozialismus wie Geld in der Finanzblase“, kritisiert sie. „Wenn sie mich nicht umgebracht hätten, wäre das nicht passiert“.
Die Hoffnung auf eine bessere Welt bleibt am Ende des Stückes bestehen. Rosas Geist erklingt unter dem Gesang der Vögel und dem Rauschen des Baches weiter. Zum Schluss bekommt das Publikum noch einen Gedanken Rosa Luxemburgs auf den Weg: „Niemand ist hoffnungsloser, als der, der fälschlicher Weise glaubt, frei zu sein“, sagen die drei Persönlichkeiten und erstarren in tosendem Applaus.