«Die neuzeitlichen Heldinnen werden Mütter, ohne verheiratet zu sein, gehen vom Manne oder vom Geliebten fort, ihr Leben kann reich an Liebeserlebnissen sein und trotzdem werden sie sich selbst nicht zu den ‹verlorenen Geschöpfen› zählen! […] Vor uns steht nicht mehr das ‹Weibchen›, der Schatten des Mannes – vor uns steht die Persönlichkeit, das Weib als Mensch. […] Der neue Typ der Frau, innerlich selbstständig, unabhängig und frei, entspricht der Moral, die die Arbeiterklasse, eben im Interesse ihrer Klasse, ausarbeitet.»
Diese Worte stammen von Alexandra Kollontai. 2022 wäre sie 150 Jahre alt geworden. Die russisch-finnische Politikerin und Schriftstellerin war als Volkskommissarin für soziale Fürsorge die einzige Frau im revolutionären Sowjet-Kabinett und erste Ministerin weltweit. Später leitete sie die Frauenabteilung im bolschewistischen Zentralkomitee.
Mit der Oktoberrevolution 1917 kam es nicht nur zu grundlegenden ökonomischen Umwälzungen. Die Bolschewiki traten auch an, die Lebensweisen und gängigen Vorstellungen von Familie umzukrempeln. In den frühen Jahren des kommunistischen Staates gab es die weltweit fortschrittlichste Geschlechterpolitik der damaligen Zeit: Das uneingeschränkte Wahlrecht war bereits von der Provisorischen Regierung durchgesetzt worden. Die Räteregierung legalisierte darüber hinaus Abtreibungen, stellte unehelich und ehelich gezeugte Kinder gleich, entkriminalisierte Homosexualität, baute den gesetzlichen Mutterschutz aus und überführte Eheschließung und Scheidung in einen simplen Verwaltungsakt. Kollontai hatte als Volkskommissarin großen Anteil an diesen Reformen.
Kollontai - alleinerziehend und mit wechselnden Männern zusammenlebend - wusste aus eigener Erfahrung: Nur wenn die Hausarbeit auch gesellschaftlich organisiert ist (statt allein in der Kleinfamilie), können Frauen einen Beruf ergreifen, ökonomisch auf eigenen Füßen stehen und sich aus der Abhängigkeit von ihren Ehemännern lösen. Auf dieser Grundlage sah Kollontai die Chance, eine «neue Moral» zu entwickeln und wirklich freie Bindungen einzugehen: Freundschaft, Liebe und Sexualität auf Augenhöhe, ohne Besitzansprüche. Liebe und Ökonomie, Moralvorstellungen und Klassenkampf sah Kollontai aufs Engste miteinander verknüpft.
Zugleich bestanden patriarchale Denkmuster und Strukturen in der russischen Gesellschaft fort, auch unter den Bolschewiki. Kollontai und ihre Mitstreiterinnen mussten sich den politischen Raum immer wieder erkämpfen. Als Agitatorinnen der jungen Räterepublik waren sie ihrer Zeit voraus.
In diesem Workshop werden wir uns anhand von Textauszügen und Diskussion mit dem Leben und Wirken Kollontais befassen, um von einer kämpferischen Politikerin zu lernen und eine spannende Frau zu ehren.
Referentin:
Anne Steckner (Trainerin, Autorin, Bildnerin)
Teilnahme-Infos
- Der Eintritt ist frei. Die Zahl der Teilnehmenden ist begrenzt.
- Zur Teilnahme bitten wir um Anmeldung per Email an: evabockenheimer@gmx.de
- Wir bieten eine Kinderbetreuung an. Bei Interesse bitte die Kinder bis zum 12.03.2022 anmelden.
- Bitte beachten: Es gelten die dann aktuellen Corona-Regelungen des Landes NRW.
Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW in Kooperation mit dem Philosophieverein Club Dialektik e.V. Köln (www.club-dialektik.de) und Kölner Frauengeschichtsverein.
Standort
Kontakt
Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrhein-Westfalen
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Telefon: 0203 3177392