Dokumentation Radikale Neuverteilung der Arbeit gefordert

Margarete Steinrücke referierte beim Linken Forum Paderborn zum Thema Arbeitszeit

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Zeit

04.03.2020

Mit

Margarete Steinrücke

Themenbereiche

Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Geschlechterverhältnisse, Arbeit / Gewerkschaften, Wirtschafts- / Sozialpolitik

Foto (v.r.n.l.): Arbeitszeitforscherin Margarete Steinrücke, Paul Weikamp (Linkes Forum) und Clea Stille (Gewerkschaftssekretärin beim DGB in der Region Ostwestfalen-Lippe) / (c) Linkes Forum

Die Bremer Soziologin und Psychologin Margarete Steinrücke, die sich als feministisch orientierte Gewerkschafterin seit vielen Jahren mit der Arbeitszeitforschung beschäftigt hat, referierte beim Linken Forum zum Thema „Arbeitszeitverkürzung für alle“. Nur mit der Einführung einer allgemein anerkannten Normalarbeitszeit von 30 Stunden in der Woche sei die von beiden Geschlechtern geforderte Vereinbarkeit guter Jobs mit Haus- und Sorgearbeiten zu gewährleisten.

In ihrer Anmoderation betonte die Paderborner DGB-Gewerkschaftssekretärin Clea Stille, dass die „Erwerbsarbeit heute sehr oft in die Freizeit hinein verlagert“ werde. Die Digitalisierung bringe nicht selten eine zeitliche Entgrenzung mobiler Arbeit mit sich. Gestützt auf ein Urteil des europäischen Gerichtshofes sei daher die genaue Erfassung und Vergütung der Arbeitszeit geboten. Der Umstand, dass hierzulande „jedes Jahr rund eine Milliarde unbezahlter Überstunden“ geleistet würden, sei, so Stille, aus Gewerkschaftssicht nicht mehr hinnehmbar.

Margarete Steinrücke sieht die Forderung nach einer radikalen Arbeitszeitverkürzung als zentral bei allen Strategien des Kampfes um Geschlechtergerechtigkeit an. „In Deutschland gibt es den größten ‚gender time gap‘, der den Unterschied in den durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten von Männern und Frauen bestimmt“. Diese Differenz betrage 9 Stunden mehr geleisteter Frauenarbeit, bei gleichzeitig 21 Prozent geringerer Entlohnung. Kurze Teilzeit, so Steinrücke, bestimme das „typische“ Frauenarbeitsverhältnis hierzulande. „Und dies mit allen Folgen: Karrierewege, Zugänge zu einflussreichen Positionen sowie die volle innerbetriebliche Integration sind für Frauen oft versperrt, später droht darüber hinaus die Altersarmut.“ Der Rentenabstand zwischen Männern und Frauen betrage nach wie vor skandalöse 54 Prozent.

Eine wichtige Gewerkschaftsforderung müsse die Gleichverteilung von Haus- und Sorgearbeiten auf beide Geschlechter sein. Dies sei jedoch nur durch die Einführung einer Normalarbeitszeit von 30 Stunden in der Woche „für beide Geschlechter“ und bei vollem Lohnausgleich zu erreichen. Steinrücke begründete das geforderte Zeitmaß mit der Leistbarkeit der Arbeit sowie mit der Teilhabe an innerbetrieblicher Kommunikation und Interessenvertretung sowie der Vereinbarkeit mit den diversen nichtbetrieblichen Aktivitäten, zu denen neben Haus- und Sorgearbeiten auch politisches Engagement oder ehrenamtliche Tätigkeiten gehörten. Die Digitalisierung und ökologische Anforderungen machten ein Umdenken in Richtung einer Postwachstumsökonomie erforderlich: „Nur eine grundlegende Neuverteilung der gesellschaftlichen Arbeit wird diesem gesellschaftlichen Erfordernis gerecht“, zeigte sich die Referentin von der Verabschiedung von einer auf permanenten Wachstum ausgerichteten Ökonomie überzeugt.

Carsten Schmitt


Arbeitszeitverkürzung für alle: Alternativen zur menschenfeindlichen Arbeitszeitkultur.
Vortrag & Diskussion mit Margareta Steinrücke (Referentin für Arbeitszeit-, Frauen und Geschlechterpolitik an der Arbeitnehmerkammer Bremen; aktives Mitglied der attac-AG „ArbeitFairTeilen“ und Koordinatorin der Initiative „Arbeitszeitverkürzung jetzt“)
4. März 2020, Kulturwerkstatt Paderborn
Veranstaltungsankündigung

Veranstaltung der RLS NRW in Kooperation mit Linkes Forum Paderborn und attac Paderborn