Die Übernahme von Monsanto durch Bayer oder die Aufteilung der Märkte von Kaiser‘s Tengelmann zwischen Edeka und Rewe sind nur die Spitze des Eisberges. Vier Unternehmensgruppen teilen 90% des deutschen Lebensmitteleinzelhandels unter sich auf, 60 % des kommerziell gehandelten Saatguts werden von nur drei Konzernen geliefert, über die Hälfte aller Landmaschinen weltweit kommen von den vier großen Herstellern. So kann man durch fast alle Ebenen der Produktion und Verarbeitung gehen – mit einer enormen Dynamik finden Konzentrationsprozesse statt. Technologische Innovationen revolutionieren unterschiedlichste Bereiche wie Zucht oder Logistik im Lebensmittelhandel. Neue Konzernholdings aus Schwellenländern verschieben die Machtverhältnisse. Finanzfonds investieren auf allen Stufen des Ernährungssystems.
All diese Veränderungen greifen tief in das Leben von ProduzentInnen und KonsumentInnen ein. Bauern und Bäuerinnen haben schlechte Verhandlungspositionen für die Vermarktung ihrer Produkte an die Supermärkte und sie können nicht mehr zwischen vielen verschiedenen Anbietern für Saatgut und Maschinen auswählen. Die Arbeitsbedingungen wurden in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen im Agrar- und Ernährungssektor deutlich prekärer, die Ausbeutung hat vielfach zugenommen. Einkommensarme Konsumentinnen und Konsumenten bekommen - letztlich trotz der vermeintlichen Fülle des Angebots – eine immer eingeschränktere Auswahl an Lebensmitteln. Auffällig ist die enge Verbandelung von Politik, Forschung und Wirtschaft – die sich im letzten Jahr so deutlich im Streit um die Neuzulassung von Glyphosat gezeigt hat oder das besondere Engagement von Lobbyisten der Agrar- und Nahrungsmittelindustrien im Kontext der TTIP-Verhandlungen.
Mit dem Konzernatlas wollen die HerausgeberInnen - Rosa-Luxemburg-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Germanwatch, Oxfam Deutschland und der deutschen Ausgabe der Le Monde Diplomatique - einen Überblick geben über die wichtigsten Akteure und ihre Geschäftsstrategien, über die verschiedenen Formen von Konzernmacht und deren Auswirkungen, über neue Technologien und Konzentrationsprozesse. Zwar skizziert der Atlas auch notwendige Bereiche der Regulierung und benennt Akteure, die Widerstand leisten und sich für Ernährungssouveränität einsetzen. Der erste Schritt ist jedoch informierte Kritik. Dazu will der Atlas einen Beitrag leisten. Es ist höchste Zeit für eine kritische und breit geführte Diskussion, die über die Kritik an Geschäftspraktiken einzelner Konzerne wie Monsanto oder Wiesenhof hinausgeht.