Mitte 2017 erhielt die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Anfrage des südafrikanischen Museums Liliesleaf. Auf dem Gelände der alten Farm Liliesleaf befand sich zwischen 1961 und 1963 ein geheimer Treffpunkt südafrikanischer Anti-Apartheid-Aktivist*innen. Bei einer Razzia der südafrikanischen Geheimpolizei wurden 19 Personen, darunter Nelson Mandela und Denis Goldberg, festgenommen und zu langjährigen und lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Seit vielen Jahren wird auf dem Gelände durch Ausstellungen und Veranstaltungen an den Widerstand gegen das Apartheid-Regime erinnert.
Die Anfrage kam von Nicolas Wolpe, dem Sohn des bekannten Anti-Apartheid-Aktivisten Harold Wolpe und langjährigen Leiter des Museums. Unter dem Titel «Memory against forgetting» werden in Liliesleaf die vielfältigen Facetten der internationalen Solidarität dokumentiert, die neben der Massenmobilisierung, der Untergrundarbeit und der Gründung des bewaffneten Arms des ANC, des Umkhonto we Sizwe, als vierte entscheidende Säule im südafrikanischen Befreiungskampf gilt. Nach Schweden und Norwegen sollte als dritter Staat die DDR einen eigenen Ausstellungsraum erhalten.
Für die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist die Auseinandersetzung mit der ostdeutschen Solidarität kein einfaches Unterfangen. Wir sind uns bewusst, dass wir es mit einem Paradox zu tun haben: Während Solidarität geleistet und «Freiheit» für die Mehrheit der Menschen in Südafrika eingefordert wurde, blieben grundlegende demokratische Rechte und menschenrechtliche Standards der eigenen Bevölkerung versagt. Dennoch haben sich unzählige Personen aus Staat, Kirche und Zivilgesellschaft der DDR engagiert. Dass in der DDR internationale Solidarität staatliche Programmatik war und durchaus außenpolitischen Interessen im Kalten Krieg diente, soll dieses Engagement weder delegitimieren noch den Einsatz,
die Empathie und die Leistungen der einzelnen Akteur*innen mindern, sondern im Gegenteil mit einem kritischen Blick in all seinen Facetten beschreiben, hervorheben und wertschätzen.
Die Bedeutung der oft vernachlässigten ostdeutschen Solidaritätsarbeit in der deutschen Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung zu stärken ist ein Ziel dieser Publikation und der gleichzeitig freigeschalteten Webseite www.apartheid-no.de. Solche Solidarität war keineswegs exklusiv. Den Kampf gegen die Apartheid unterstützten zwar nur einige wenige Staaten, aber unzählige zivilgesellschaftliche Bewegungen und Initiativen, auch in der Bundesrepublik. Im Gegensatz zu ihren ostdeutschen Verbündeten im Kampf gegen die Apartheid agierten die westdeutschen Aktivist*innen und Gewerkschafter*innen jedoch innerhalb eines Systems, das nicht nur große Sympathien für das Apartheid-Regime hegte, sondern es offen und offensiv unterstützte.
Dieses Buch wird unter den Bedingungen einer CreativeCommons-Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License
Apartheid No!
Facetten von Solidarität in der DDR und BRD
November 2019
ISBN: 978-3-948250-05-8
Übersetzung: lingua trans fair | Cornelia Gritzner
Gefördert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) der Bundesrepublik Deutschland.