Zur Geschichte der Arbeiterbewegung im heutigen Sachsen-Anhalt 1914-1920
Die sozialen Bewegungen wurden in Deutschland lange Zeit vor allem unter dem Blickwinkel der Politik-, Organisations- und Theoriegeschichte betrachtet. Das gilt vor allem für die Arbeiterbewegung, die vor allem eine Bewegung von Arbeitern und weniger von Arbeiterinnen war. Entsprechend weniger standen die Geschlechter-, Arbeits- oder Wohnverhältnisse im Fokus. Erst in den 1970er Jahren begann die Forschung in Westdeutschland, sich stärker sozial- und kulturgeschichtlichen Betrachtungsweisen zu öffnen. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks verengte sich die Perspektive wieder: Die Arbeiterbewegung, insbesondere ihre radikalen Strömungen, wurden häufig unter dem Aspekt von Gewalt, Terror und Ausgrenzung betrachtet, den jeder Wunsch nach einer sozialen Aus- oder Umgestaltung der bürgerlich-kapitalistischen Demokratie in sich berge.
Erst in den letzten Jahren hat das Interesse an der Arbeiterbewegung, ihren Zielen und Motiven wieder zugenommen. Die vorliegende Studie ist Ausdruck dieses gewachsenen Interesses. Erstmals wird hier von Vincent Streichhahn eine zusammenhängende Darstellung der regionalen Revolutionsgeschichte im heutigen Sachsen-Anhalt vorgelegt, die auf eigenen Forschungen, vor allem zu Wilhelm Koenen als Vertreter der Rätebewegung im südlichen Sachsen-Anhalt, und einer Auswertung der vorhandenen Literatur basiert. Insbesondere zur Rätebewegung in Magdeburg lag bisher keine zusammenhängende, den aktuellen Forschungsstand berücksichtigende Darstellung vor.
Streichhahns Studie zeigt die Widersprüchlichkeit der Arbeiter(-klassen)bewegung, ihre Stärken und Grenzen in einer Zeit, in der historische Bahnen eingeschlagen wurden, die bis heute die gesellschaftlichen Verhältnisse maßgeblich prägen, vom allgemeinen Wahlrecht bis zur betrieblichen Mitbestimmung.