Nur zwei Jahre nach der Herausgabe der Autobiografie von Franz Marek («Beruf und Berufung Kommunist») veröffentlichte das gleiche (bzw. erweiterte) HistorikerInnenteam im selben Verlag eine Biografie Mareks unter dem Titel «Franz Marek – ein europäischer Marxist».
Nachgezeichnet wird Mareks Lebensweg (1913–1979) als illegaler Kommunist unter dem austrofaschistischen Regime, als führender Widerstandskämpfer in der französischen Resistance, der bis zur Befreiung in der Todeszelle landete, als führender Funktionär der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) bis in die 1960er Jahre, als Kritiker des Kurses der Partei vor und nach der Niederschlagung des «Prager Frühlings» bis zu seinem Ausschluss im Jahr 1970 und schließlich bis zu seinem Tod als Chefredakteur der Zeitschrift Wiener Tagebuch.
Die AutorInnen stützen sich dabei auf die erwähnte Autobiografie, auf zahlreiche Erinnerungsbücher von zeitgenössischen KommunistInnen und auf Artikel Mareks in der Parteipresse. Was die Biografie von der Autobiografie unterscheidet, ist die Einbettung von Mareks Werdegang und Wirken in den Kontext der Entwicklung der österreichischen, europäischen und internationalen kommunistischen Bewegung sowie die Weiterführung Mareks Wirken in die Zeit des Wiener Tagebuchs. Denn die Autobiografie Mareks, 1974 verfasst, endete mit seinem Ausschluss aus der KPÖ.
Zur Motivation der AutorInnen, sich mit der Biografie Franz Mareks zu befassen, schreiben sie im Vorwort: «Ungeachtet seines internationalen Schaffens blieb seine Vita untrennbar mit der Geschichte der Ersten und Zweiten Republik verbunden. Anhand seines Lebens lässt sich die Parteigeschichte in der Zwischenkriegszeit, der Bürgerkrieg 1934, die Dollfuß-Schuschnigg Diktatur, der Widerstand gegen das NS-Regime, die Verfolgung jüdischer ÖsterreicherInnen in der NS-Zeit und der politische Wiederaufbau nach 1945 umfassend darstellen. Gleichzeitig eröffnet Mareks Biografie den Blick auf zahlreiche, über Österreich hinausgehende – und doch untrennbar mit der österreichischen Geschichte verbundene – gesellschaftliche und politische Umbrüche des 20. Jahrhunderts: vom oft tödlichen Widerstandskampf in der Resistance, über den stalinistischen Kommunismus zu den Reformkommunismen in Westeuropa.»
Was Franz Mareks Biografie und Wirken für heutige LeserInnen weiterhin interessant macht, ist – was auch die AutorInnen hervorheben – seine Wandlung vom «gläubigen» Stalinisten, als den Marek sich selbst bezeichnete, zum Kritiker des realen Sozialismus, allerdings bis zum Ausschluss eben innerhalb der kommunistischen Partei und der kommunistischen Bewegung. Er verkörperte einen Widerspruch, den seine Partei, aber auch die meisten europäischen Parteien nicht lösen bzw. aufheben konnten und auch nicht wollten. Außerhalb der Partei, als Chefredakteur des monatlich erscheinenden Wiener Tagebuchs, war Marek nicht mehr politischer Akteur, sondern Kommentator und Beobachter. Als solcher unterstützte er in seiner Kolumne «Chronik der Linken» und in zahlreichen weiteren Artikeln den «Eurokommunismus» in Westeuropa, was ihm die Bezeichnung «Eurokommunist Nr. 1» im Nachruf des sozialistischen Publizisten Günther Nenning eintrug – und zwar zu Recht, denn mit dem Namen Marek ist das Programm der KPÖ aus dem Jahr 1965 verbunden, das die spätere eurokommunistische Orientierung mehrerer europäischer kommunistischer Parteien in den 1970er Jahren vorwegnahm. Auf Basis von Recherchen in italienischen Archiven werden im Buch erstmals die Beziehungen Mareks zur KPI und einiger ihrer führenden Persönlichkeiten dargestellt.
Michael Graber
Maximilian Graf /Sarah Knoll/Ina Markova/Karlo Ruzicic-Kessler: Franz Marek – ein europäischer Marxist. Die Biografie; Mandelbaum-Verlag, Wien 2019, 316 S., 25 Euro